Seidig wie der Tod
dass es noch mehr solcher gemeinsamer Feste geben würde. Das gefiel ihr, und so richtete sie sich mitten in der Menge auf, um ihn zu küssen, als stummen Hinweis auf die Nacht, die sie erwartete.
Am Tag vor Weihnachten schlenderten sie Hand in Hand durch den City Park, wo zahlreiche Bands Weihnachtslieder spielten, und obwohl sie sich auf ein spätes Dinner im berühmten Windsor Court Hotel eingestellt hatten, sorgte ein sehr viel intensiverer Hunger ganz anderer Art dafür, dass sie das Abendessen ausließen und zu Desirees Haus zurückkehrten.
Als die Kerze niedergebrannt war und die ersten Sonnenstrahlen durch die Spitzengardinen drangen, wusste Desiree, dass sie Roman während jener festlichen Tage und Nächte sehr viel mehr gegeben hatte als nur ihren Körper. Sie hatte ihm auch ihr Herz geschenkt.
„Am liebsten würde ich mich nie mehr aus dem Bett rühren.“ Sie schmiegte sich an ihn, ihre Lippen an seiner Brust, die Beine verschränkt mit seinen.
„Dagegen hätte ich nichts einzuwenden“, erwiderte er und strich ihr zärtlich übers Haar.
„Aber dann würden wir verhungern.“
„Niemals.“ Er küsste ihren lächelnden Mund und dachte, dass er nie glücklicher gewesen war. Und nie so angsterfüllt. Die vergangenen Tage und Nächte, so schön sie auch gewesen sein mochten, waren in den verführerischen, goldenen Schein der Ferienzeit verpackt gewesen, doch bald, im hellen, gnadenlosen Licht des neuen Tages, würden sie sich beide mit unangenehmen Tatsachen auseinanderzusetzen haben, die alles zerstören konnten. „Wir werden einfach von Luft und Liebe leben.“
Als er mit der Hand über ihren schmalen Rücken strich, spürte sie, dass trotz all ihrer leidenschaftlichen Umarmungen wieder neue Erregung in ihr erwachte. „Die Idee gefällt mir.“
Obwohl Desiree die Zärtlichkeit erwartete, die er so oft bewiesen hatte, war sein nächster Kuss hart, grob und verzweifelt. „Ich auch“, sagte er danach.
„Du auch – was?“ Etwas Dunkles, Tragisches lag in seinen Augen, das sie an den Mann erinnerte, dem sie zum ersten Mal auf dem Friedhof begegnet war.
„Ich liebe dich auch.“
Erfreut und zugleich verwirrt musterte sie sein grimmiges Gesicht. „Du scheinst aber nicht begeistert von der Idee.“
„Ich wäre es gern.“
Ihre Freude verflüchtigte sich. „Aber?“
„So einfach ist das leider nicht.“
Sie überraschte ihn mit einem zärtlichen Lächeln, das ihm den Atem raubte. „Nichts, was der Mühe wert ist, ist jemals einfach.“ Sie küsste ihn und richtete sich auf. „Möchtest du Kaffee? Ich könnte Brötchen aufbacken – dann frühstücken wir im Bett und reden.“
Reden war das Letzte, was er mit dieser Frau tun wollte. Aber Roman wusste, dass er das Gespräch bereits zu lange aufgeschoben hatte. „Du hast recht.“
„Recht?“, entgegnete sie verwirrt. „Wieso?“
„Du bist wirklich eine intelligente Frau.“
„Natürlich.“ Wieder lächelte sie. „Das habe ich dir doch bereits gesagt.“
Widerstrebend stand sie auf, empfand jedoch keine Scham, als Roman sie aufmerksam beobachtete. „Wenn du mich weiter so ansiehst, vergesse ich das Frühstück“, drohte sie mit einem heiseren kleinen Lachen.
Bevor er antworten konnte, schrillte das Telefon, und gleichzeitig klingelte es an der Tür.
„Übernimm du das Telefon“, sagte Roman, während er aufsprang und seine Hosen anzog. „Ich öffne die Tür.“
Mit einem dankbaren Lächeln nahm Desiree den Hörer ab.
„Es gibt einen weiteren Mordfall.“ Adrians düsterer Tonfall raubte ihr den letzten Rest der Heiterkeit.
Während Desiree sich auf die Bettkante sinken ließ, spähte Roman durch den Spion in der Tür und fluchte, als er den Mann auf der Veranda sah. Da ihm jedoch nichts anderes übrig blieb, öffnete er die Tür.
„Roman Falconer?“
„Sie wissen, wer ich bin, Detective.“ Gelassenheit, geboren aus dem Wissen, dass dieser Moment von Anfang an unvermeidlich gewesen war, erfasste ihn.
O’Malleys steinerne Miene verriet, dass er nicht in der Stimmung für Spielchen war. „Ich würde Ihnen gern einige Fragen stellen, Mr Falconer“, sagte er kalt. „Über die Vergewaltigung und den Mord an Tabitha Sue Jackson.“
Ein Aufstöhnen ertönte hinter Roman. Mit sinkendem Herzen schaute er sich um und erblickte Desiree auf der Schwelle ihres Schlafzimmers. In ihrem cremefarbenen Seidenmorgenrock wirkte sie so blass und zerbrechlich wie die Opfer des mysteriösen Verbrechers.
14. KAPITEL
D esiree
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