Seilschaft (German Edition)
Tresen vor. Mehr gibt es beim besten Willen nicht zu tun. Froh, dass er endlich allein ist, holt er sein Buch raus.
Bis zehn war noch was los, aber jetzt, um halb zwölf, ist kaum noch jemand unterwegs. Ab und zu gibt er einen Schlüssel raus – das sind hier checkkartenähnliche Gegenstände mit einem unförmigen Plömmel dran.
Um halb eins streicht er sich ungeduldig die Oberschenken hoch und runter.
Um eins macht er seine Hose auf und hat die Hand im Schritt liegen.
Um halb zwei holt er das Ding raus, das seit zwei Stunden so hart ist, dass man Kokosnüsse damit knacken könnte.
Die Klingel leuchtet. Automatisch drückt er den Öffner, und ein gut aussehender Vierzigjähriger betritt das Foyer.
Eiskalter Schrecken durchfährt ihn, als ihm klar wird, wie er hier sitzt. Der Mann ist auch schon vor dem Tresen. Er möchte eine Nacht bleiben. Die Anmeldeformulare sind zum Glück in Reichweite. Er legt sie auf den Tresen.
Der Tresen bietet Sichtschutz, aber wenn er aufsteht, dann wird sein Ding genau auf dem Tresen liegen, direkt vor den Augen des Gastes. Das geht natürlich nicht.
Zum Glück tritt der Gast ein paar Schritt nach rechts. René nutzt die Zeit. Schnell schiebt er sein Ding in die Unterhose zurück und knöpft sich die Hose zu. Sein Atem geht schnell. Die wenigen Augenblicke, in denen der Gast sich weggedreht hat, haben gereicht, um die verbotene Manneskraft in der Hose zu verstecken, aber René ist rot übergossen. Der Gast sagt nichts, grinst ihn aber frech und wissend an.
Jetzt kann René aufstehen und sich höflich mit dem Mann über das Anmeldeformular beugen. «Dann bräuchte ich noch ihre Ausweisnummer, bitte!», meint René. Das war dann auch schon der komplizierteste Teil seiner Aufgabe. Wieder hat er einen Gast glücklich gemacht, auch wenn er es gerne auf eine andere Art gemacht hätte. Möglich, dass auch der Gast dann noch glücklicher gewesen wäre ...
Tim Steiger: Hausbesuche
EBook: ISBN 978-3-86300-003-5
Buchausgabe: ISBN 978-3-935596-99-5
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