Sein anderes Gesicht
Mondlicht dar. Ich habe das Gefühl, einem geheimen, archaischen Ritual beizuwohnen.
Er erhebt sich wieder, kratzt sich, seufzt, fährt durch sein Schamhaar und lässt sich aufs Bett fallen. Zwei Minuten später schnarcht er. Ich lasse mich hinreißen, ein wenig von dieser quälenden Luft zu atmen. Ich bin erregt, weil ich ihm ganz nahe bin, ihn in seiner Intimsphäre beobachtet habe .
Ich warte noch zehn Minuten, dann öffne ich leise die Schranktür. Knurrend dreht er sich in seinem Bett um. Das Licht der Straßenlaterne hüllt ihn in einen bläulichen Schein. Der schlafende Luzifer. Sein Kopf ruht anmutig in der Armbeuge. Die Brust hebt und senkt sich regelmäßig. Ich mag seine weiche Haut, die so weiß und glatt ist.
Ich möchte sie mit meiner Wange berühren, den Schlag seines Herzens spüren, es mit meiner Hand umfangen.
Ich fische meine Sachen aus dem Stapel Klamotten auf dem Boden und beobachte ihn dabei aus den Augenwinkeln. Er lächelt im Schlaf, und ich hasse den mir unbekannten Grund für dieses Lächeln.
Wenn ich könnte, würde ich ihn in ein kleines, hermetisch abgeschlossenes Zimmer sperren, eine einfache, saubere Zelle. Ich würde ihn füttern wie ein Tier, ihm in einem Napf Leberpastete geben. Er müsste nackt leben, wäre meinen hinter einem Einwegspiegel verborgenen Blicken preisgegeben, ganz meiner Begierde, meinem Verlangen ausgeliefert. Ich würde ihn zwingen, sich Vergnügen bereiten zu lassen, er wäre gedemütigt, wütend, hätte keinen sehnlicheren Wunsch, als mich zu töten, und könnte es nicht, weil ich sein Herr wäre. Es wäre wie eine Vergewaltigung.
Ich schleiche zur Tür und lege die Hand auf die Klinke, ein flüchtiger Dieb der Träume.
Eine Hand umschließt meine Kehle, mein Kopf schlägt gegen den Türrahmen, ich werde hochgehoben, gegen die Wand gedrückt, halb erwürgt, ich ersticke, ich .
»Verfluchte Scheiße! Bo, bist du das?«
Er lässt mich los, und ich falle wie ein nasser Sack zu Boden, massiere meine Kehle. Ich habe keine Zeit, den Fußtritt abzuwehren, der mich in den Bauch trifft, krümme mich zusammen, er zielt zwischen meine Beine, tritt noch fester zu, es tut so weh, dass mir die Tränen in die Augen schießen, wieder schlägt er mir in den Magen, kniet sich über mich, packt mich mit beiden Händen bei den Haaren.
»Verfluchte Schwuchtel, was hast du hier verloren?«
»Ich .«
Er versetzt mir schallende Ohrfeigen.
»Sprich deutlich!«
». gekommen, um . zu duschen .«
»Wer erlaubt, hierher zu kommen?«
»Bull .«
Erneute Ohrfeigen. Ich liebe Ohrfeigen. Kräftige, mit der flachen Hand ausgeteilte Ohrfeigen. Ich liebe es, wenn seine Handfläche meine Wangen, meine Lippen berührt. Ich versuche, seine Hand zu küssen. Das versetzt ihn in rasende Wut. Eine Flut von Schlägen prasselt auf mich nieder. Ich leiste keinen Widerstand. Das macht ihn wahnsinnig. Er ist über mir. Nackt, schwitzend, zerzaust wie ein Liebhaber. Er dreht mir den Arm auf den Rücken, so heftig, dass ich ein Stöhnen nicht unterdrücken kann.
»Und das, gefällt dir das, Bo? Antworte, schwule Sau!«
»Ja … Danke.«
»Soll ich ihn dir brechen?«
Ich antworte nicht. Er dreht stärker. Ich spüre seinen Unterleib an meinem Hinterteil, das erregt mich, seinen Mund an meinem Ohr, seinen Atem, der mich erschauern lässt.
»Soll ich ihn dir brechen?«, fährt er fort. »Verdammt noch mal, verteidige dich! Schrei, sag, dass ich dir wehtue! Bo! Antworte, antworte, sonst breche ich dir den Arm, das schwöre ich dir!«
Ich antworte nicht. Der Druck ist unerträglich. Ich beiße die Zähne zusammen.
»Ich will nicht, dass du mich liebst! Ich will dich nicht!«
Diese Worte hat er geschrien und mir mit einem kurzen, brutalen Ruck den Arm gebrochen. Ich spüre, wie der Knochen nachgibt, den stechenden Schmerz, gleich werde ich ohnmächtig, o mein Gott, der Knochen ist gebrochen und ich . Er springt auf, weicht angewidert zurück, während ich keuchend auf dem schmutzigen Boden liege, den gebrochenen Arm an meinen schmerzenden Leib gepresst.
»Du bist echt krank, Bo. Total krank, verflucht noch mal!«
Er läuft im Zimmer auf und ab.
»Verschwinde, geh ins Krankenhaus, hau ab!«
Er hält mir ein Bündel Geldscheine hin, wirft sie mir schließlich ins Gesicht.
»Verschwinde! Sofort, oder ich bringe dich um.«
Mühsam rappele ich mich auf, sammele mit meiner gesunden Hand die Scheine ein und stopfe sie in meine Tasche. Mit geballten Fäusten beobachtet er mich aus der
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