Sein anderes Gesicht
Geld.
Ich deute auf mein Handgelenk.
»Gebrochen.«
»O je! . Ein Arbeitsunfall?«, fragt sie mit einer Miene, als wolle sie sagen, es sei mir während der Wachablösung vor dem Buckingham-Palast passiert.
»Ein Johnny-Unfall«, erkläre ich, weil ich Lust habe, seinen Namen auszusprechen.
Sie runzelt die Stirn und droht mir mit einem tadellos manikürten Zeigefinger.
»Dieser Kerl wird dich noch umbringen, Bo, er ist durch und durch schlecht.«
Nein, er wird mich nicht umbringen, das erledige ich schon selbst. Johnny ist nichts anderes als der Katalysator meines Wunsches nach Selbstzerstörung. Ich brauche ihn ebenso sehr wie ein Süchtiger seinen Stoff. Ich lächele Diana an, ich mag sie wirklich sehr.
»Mach dir keine Sorgen. Und wie geht's dir?«
»Du weißt ja, die Wechselfälle des Lebens .«
Sie ist die Einzige, die das so aussprechen kann, als wäre es eine ganz alltägliche Redensart.
»Ein paar Probleme mit Prinz Charles, aber na ja .«
Prinz Charles ist ihr Liebhaber und Zuhälter: Er stammt aus Kamerun, ist ehemaliger Schwergewichtsboxer und gebaut wie ein Kleiderschrank. Der Gegensatz zwischen seinem faltigen Gesicht, der Frisur im Afro-Look und den Anzügen aus Wildseide ist beeindruckend. Ein notorischer Trinker, nicht boshaft aber bisweilen nervig.
Als er von Prinz Charles reden hört, vergisst der Typ mit den Magenschmerzen das Stöhnen. Er reibt sich die Augen, öffnet den Mund und schließt ihn wieder. Ein Arzt kommt und holt ihn. Der Typ deutet auf uns und erklärt ihm etwas. Misstrauisch sieht ihn der Assistenzarzt an und schiebt ihn schnell in das Untersuchungszimmer. Mit einem Blick auf die Uhr nähert sich mir eine rundliche Krankenschwester. Plötzlich öffnen sich die großen Flügeltüren, um zwei keuchende Träger mit einer Bahre hereinzulassen. Sie setzen sie auf einem Fahrgestell ab und wechseln einige Worte. Unverständliche, medizinische Ausdrücke. Die Krankenschwester eilt zu ihnen, ihre Absätze hallen auf dem Kachelboden wider.
Polizisten stürmen herein, sie wirken abgespannt und nervös. Draußen erhellt der zuckende Schein der Blaulichter die Nacht.
Auf der Bahre ruht eine reglose Gestalt, bedeckt mit einem Laken, das vor allem im Bauch- und Oberkörperbereich blutdurchtränkt ist. In dem mit goldenen Armbändern überladenen Arm steckt eine Infusionsnadel. Langes blondes Haar hängt von der Bahre herab.
Ein Mann mit blauer Regenjacke und Schnauzbart hält seinen Fotoapparat in die Höhe und drückt mehrmals auf den Auslöser, Blitzlichter flammen auf, zwei Polizisten in Uniform schieben ihn ohne weitere Umstände zur Tür. Ein junger Arzt kommt angelaufen, beugt sich über die Bahre und brüllt seine Anweisungen, man könnte glauben, man sei in der Serie Emergency Room.
Im Laufschritt wird der Wagen weggerollt. Die Bullen diskutieren leise und erregt.
»Sieht nach einer ernsten Sache aus«, meint Diana.
»Ja, um die schöne Blonde scheint es eher schlecht zu stehen. Und mich haben sie darüber wohl ganz vergessen«, sage ich und deute auf mein bläulich verfärbtes Handgelenk.
Die Türen öffnen sich wieder, und Mossa taucht auf. Er sieht grau aus und schwitzt. Als er uns bemerkt, bedenkt er uns mit einem verächtlichen Blick.
»Was habt ihr hier zu suchen?«
»Guten Abend, Herr Kommissar«, antwortet Diana höflich, die ständig auf der Etikette herumreitet, wenn nicht gerade auf jemand anderem.
Er klopft ihr auf die Schulter.
»Hallo, Hoheit«, bemerkt er in Gedanken vertieft, er scheint Sorgen zu haben. Ich versuche, mein Handgelenk vor ihm zu verbergen. Der Schmerz strahlt bis in die Schulter und den Rücken. Das erinnert mich an das Mal, als mein Vater .
»Schon wieder Probleme, Bo?«, brummt er und wischt sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Was ist mit deinem Arm?«
»Ich bin auf der Treppe ausgerutscht. Ich glaube, er ist gebrochen .«
»Tss-tss«, macht er, ehe er in die Richtung eilt, in der die Krankenbahre verschwunden ist. »Mit dir geht's bergab, mein Junge.«
»Was ist denn los?«, ruft Diana ihm nach und ringt die Hände.
»Mord«, bemerkt er knapp, ehe er hinter der Tür verschwindet.
Diana scheint erschrocken.
»Mord? Verdammt!«
Ich nicke. Einer der Polizisten in Uniform bückt sich, um etwas aufzuheben, das von der Bahre gefallen ist. Blutverschmiertes, langes blondes Haar. Für den Bruchteil einer Sekunde denke ich, man habe die Frau skalpiert! Ich erschaudere, doch dann wird mir klar, dass es eine Perücke ist.
Ich
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