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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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liegen, Johnny, beweg dich nicht. Ich rufe den Notarzt.«
    »Nein«, murmelt er und presst seine Handschuhe auf die offene Wunde. »Nein. Ich … will nicht … ins Gefängnis.«
    Ich höre nicht auf ihn. Ich wähle die Nummer des  Notrufs. Ich gebe ihnen die Adresse durch, beschreibe die Verletzung, die Frau am anderen Ende der Leitung sagt, ich soll ruhig bleiben, es würde sofort jemand kommen. Ich frage:
    »Und bei einem abgehackten Finger? Muss man da einen Druckverband machen?«
    Sie behält die Nerven und wiederholt lediglich:
    »Machen Sie nichts, bis der Arzt eintrifft. Trinken Sie nichts. Bewegen Sie sich nicht.«
    Ich lege auf. Ich setze mich neben Johnny, lehne seinen Kopf an meine Schulter. Ich sehe noch immer unser Spiegelbild im Fenster, eine Oper in Purpur.
    »Sie kommen gleich.«
    Das Sprechen kostet ihn große Mühe.
    »Ich habe es schon lange nicht mehr getan. Ich war umgezogen . hierher. Aber als ich dich traf . fing alles wieder an. Ich kann nichts … dagegen machen. Die Wut, die mich überkommt, ist kalt wie Eis und . glühend wie … flüssiges Metall. Ich mache es … und ich weiß, es ist schlecht, und ich mache es … und es ist mir egal.«
    Ich wiege ihn sanft.
    »Sag nichts mehr.«
    »Bull . ist mir gefolgt . hat mich hier ins Haus gehen sehen . er hat, während ich duschte, mein Appartement … nach den Schlüsseln abgesucht. Der Idiot konnte echt gerissen sein. Er ist heimlich hergekommen … allein. Hat Elvira gesehen . das Blut, die Werkzeuge . ich habe ihn in dem Moment überrascht, als . er wieder herauskam . hat mir geschworen, nichts zu sagen .«
    Er keucht, hat Schwierigkeiten zu sprechen, ich streiche über sein Haar. Zum ersten Mal streiche ich über das Haar meines Liebsten.
    »… habe ihm nicht geglaubt … und umgebracht.«
    »Das ist doch jetzt nicht mehr wichtig, Johnny.«
    Ich höre mich diese Worte sagen, die wie ein Filmzitat klingen. Ich sehe mich dort sitzen, meine blutbeschmierte Hand auf seinem blonden Haar. Ich spüre, wie ich schwächer werde, alles verschwimmt vor meinen Augen. Ich möchte nicht, dass er jetzt, wo ich nichts erkennen kann, stirbt, denn damit würde man mich des letzten Bildes von ihm berauben .
    In der Ferne hört man dumpf den Klang von Sirenen. Sie nähern sich.
    »Sie kommen, hörst du, sie kommen .«
    Er versucht, die Augen offen zu halten, seine Lider zittern, er atmet schwer und unter Krämpfen. Seine große Hand umschließt plötzlich meine, drückt sie mit aller Kraft.
    Gepolter im Treppenhaus, aufgeregte Rufe. Sie kommen tatsächlich, die Kavallerie ist da, wir sind gerettet. Ich beuge mich über ihn. Plötzlich will ich es wissen.
    »Warum bist du zu Maeva gegangen?«
    Er starrt mich verständnislos an, schmutzig rosafarbene Blasen quellen aus seinem Mund.
    »Niemals . gewesen . war ich nicht«, stammelt er.
    Er blinzelt. Ich tauche ein in das trübe Wasser seiner Augen, möchte hinunter bis auf den Grund und im Strudel seiner Seele versinken, ich möchte mit ihm im kühlen Wasser eines Gebirgsbachs liegen und die vorüberziehenden Wolken betrachten, ich .
    »Bo .«
    Seine Hand löst sich. Meine Finger fahren über seine Lippen, seine Nase, seine Wangen, seine Stirn. Er rührt sich nicht. Ich weiß nicht, was er sieht. Die Tür öffnet sich. Stimmengewirr, Rufe. Man hebt mich hoch, doch ich klammere mich an ihm fest. Er ist schwer, so schwer.
    »Verdammt! Sie müssen dieses Ding hier benutzt haben .«
    »Vorsichtig, vorsichtig! Ihre Hand .«
    »Der Finger liegt dort auf dem Tisch. Eis, schnell!«
    Ich höre ihnen nicht zu. Ich bin an Johnny festgeschweißt, ich versuche, eins mit ihm zu werden, mich mit seinem kaum noch warmen Körper zu vereinen.
    »Mademoiselle . Bitte .«
    »Der Mann ist tot. Verständige die Einheit unten.«
    »… Schockzustand …«
    Injektion, Krankentrage, ich will Johnny nicht loslassen, ich weiß, dass ich ihn niemals wieder sehen werde. Niemals. Hände auf meinem Körper, Lärm, Gerüche, Lichter.
    Stille.

KAPITEL 14
    Ich mag Krankenhäuser. Wenn ich als Kind ins Hospital kam - er ist von der Treppe gefallen, gegen die Heizung geschlagen, in der Badewanne gestürzt -, liebte ich den Geruch der Laken, des Desinfektionsmittels, der Frieden spendenden Medikamente.
    Ich sitze mit verbundener Hand und neuem Gips im Bett. Man musste den Knochen noch einmal brechen, da er schlecht zusammengewachsen war. Es tat nicht weh, man hatte mich mit Sedativa ruhig gestellt. Die Verwirrung war groß, als man merkte, dass

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