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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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viel gerechter und ehrlicher, die Trauben direkt zu bewerten als den Wein. An dem sei schließlich bereits im Keller vom Winzer manipuliert worden, außerdem würden sie nicht den Geschmack von THC annehmen, Korkschmecker seien in Zukunft ausgeschlossen, da die Trauben mit Schraubverschluss geliefert würden. Nur wegen der Wespen müssten sich die Juroren was einfallen lassen, schließlich gehörten sie (die Wespen oder die Juroren?) zu den geschützten Arten. Der Kommissar würde sich davon überzeugen, dass sie sich an die Regeln hielten. Mendoza kam an den Tisch, die Sonne im Rücken, einen bunten Helm auf dem Kopf, und sein Jockey-Kostüm glänzte wie mit einer Speckschwarte eingerieben und danach poliert. Er hatte zwei Ponys dabei, die seien für Amber und seine Verdienste um die Challenge, außerdem sei er der diesjährige Sieger des Callenge Derbys. Jürgen Templin tanzte mit Josephine Rider in der Bar des Casinos Tango, und Henry, der wie ein Radrennfahrer beim Sechstagerennen schnelle Runden imRoulette drehte, versuchte, nicht über die ungeraden Zahlen zu fahren. Man hatte ihm gedroht: Wenn er es doch täte, würde es ihm so gehen wie Alan Amber. Aber er wusste nicht, was Amber zugestoßen war   …
    Es war draußen noch dunkel, die Nachttischlampe brannte, Henry lag angezogen auf dem Bett und fror. Er löschte das Licht, zog die Decke über sich und schlief angezogen weiter.
    Entsprechend unangenehm war das Aufwachen. Henry brauchte lange, um zu begreifen, wo er sich befand. Er setzte sich auf die Bettkante und betrachtete die Knitterfalten seiner Anzughose. Wie sollte er die wieder rausbekommen? Nach und nach erst kam die Erinnerung an all das zurück, was er in seinem Kopf in eine Reihenfolge bringen musste, nichts weiter als ungelöste Probleme. Die kalte Dusche brachte ihn endgültig zurück in die Wirklichkeit. Bevor er in den Frühstücksraum ging, trat er an die Rezeption, bat darum, seine Hose zu bügeln, und reklamierte die Störung des Radioempfangs. Die Rezeptionistin verwies ihn an den Haustechniker, der nach fünf Minuten in der Hotelhalle erschien, ein Mann um die fünfzig im Blaumann, gutmütig wie ein Teddybär, eine vertrauenerweckende Reihe Schraubenzieher in der Brusttasche.
    Während sie im Fahrstuhl nach oben fuhren, erzählte der Techniker, dass er seit Jahren in der SPD sei, wie sein Vater und Großvater. Das war für Henry nichts, worauf man stolz sein konnte, und er führte ihm, im Zimmer angekommen, das Rauschen des Radios vor.
    »Gestern Morgen war der Empfang noch bestens, als ich dann spät nachts hierherkam, konnte ich kaum etwas verstehen, kein Sender, der nicht rauschte. Haben Sie im Zimmer gearbeitet?«
    »Wir haben nichts getan, nichts umgebaut oder verändert. Es muss an Ihrem Radio liegen. Oder es reagiert so empfindlich auf die Spannung der Leitungen. Die verlaufenam Kopfende des Bettes hinter der Holzverkleidung. Ich werde vorsichtshalber meinen Spannungsprüfer holen, gehen Sie schon mal vor.«
    Der Teddy mit den Schraubenziehern fuhr wieder runter. Henry betrat sein Zimmer, das noch nicht aufgeräumt war. Er schaltete das Radio ein, der Effekt war derselbe wie nachts zuvor, und Henry ging mit eingeschaltetem Gerät auf den Flur. Je weiter er sich von seinem Zimmer entfernte, desto leiser wurde das Rauschen. Diesen Effekt führte er dem Techniker vor. Der prüfte die unter Putz und unter einer Verkleidung liegenden Leitungen mit einem digitalen Spannungsmesser und bemerkte nichts Auffälliges. Auch die Nachttischlampe funktionierte einwandfrei   – nur als er das Telefon vom Nachttisch nahm und mit dem Prüfgerät daran entlangfuhr, stutzte er. Er wiederholte den Vorgang mit dem Telefon auf dem anderen Nachttisch und ergriff kopfschüttelnd wieder das erste Gerät, drehte es um und betrachtete die Bodenplatte. »Es ist das Telefon und nicht die Lampe«, bemerkte er nachdenklich. »Die Telefone sind identisch, aber die Spannung ist unterschiedlich. Das kann nicht sein.«
    Er zog aus der Batterie seiner Schraubenzieher ein kleines Exemplar hervor, mit dem er die Schrauben und Klemmen der Bodenplatte löste. »Die gehen aber leicht raus!« Dann starrte er ins Gerät. »Haben
Sie
das hier eingesetzt?«
    »Wieso ich?«, fragte Henry und schaute dem Techniker auf die Finger. Der zog vorsichtig ein schwarzes Rechteck hervor, ein wenig kleiner als eine Streichholzschachtel, im oberen Teil mit einem Schlitz.
    »Der ist für ’ne SI M-Karte !« Der Mann riss die Augen auf.

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