Sein letzter Burgunder
Information.«
»Da bin ich aber gespannt.« Henry konnte sich nicht denken, dass sie für ihn von Vorteil sein könnte.
»Ich sage es klar: Heckler hat mich damit beauftragt, Sie zu beschatten, Ihnen zu folgen, wohin Sie gehen, zu beobachten, wen Sie hier während der Challenge treffen und was Sie ansonsten unternehmen. Ich soll ihm darüber Bericht erstatten. Das habe ich getan, aber ich will das in Wirklichkeit nicht. Mein Thema ist der Wein, und als Spitzel lasse ich mich nicht missbrauchen. Heckler geht meines Erachtens zu weit, er betrachtet Menschen entweder als Untergebene, die ihm gehorchen, so wie mich, die seinen Anweisungen folgen müssen, zu hundert Prozent, oder als Feinde.«
»Ich finde es äußerst löblich, dass Sie mir das sagen, doch weshalb kommen Sie damit zu mir?«
»Ihre Skepsis ist verständlich. Sie kennen das Sprichwort vom Krug, der so lange zum Wasser geht, bis er bricht? Mein Krug ist gebrochen, eigentlich der in mir selbst. Heckler hat mir viel versprochen, Möglichkeiten zum Publizieren, Reisen, Selbstständigkeit in der Recherche, im Umgang mit den Kunden – aber er stellt die Regeln auf, er gibt die Leitlinien und die Richtung vor, er dirigiert – ein lebloses Orchester. Und ich bin dabei zum …« Er suchte nach einem Wort, um seinen Zustand zu beschreiben.
»Kettenhund!«, sagte Henry leise.
»So sehen Sie mich also? Das ist wenig schmeichelhaft. Ich würde es lieber Offizier für Sonderaufgaben nennen.«
»Dazu sind Sie zu aggressiv, Herr Koch.«
»Hören Sie zu, Meyenbeeker«, Koch sah sich um, ließ den Blick über den Platz streifen, und Henry fragte sich, ob die Italiener hier noch herumschlichen.
»Ich biete Ihnen etwas ohne Gegenleistung.«
»Das gibt es nicht. Nichts ist umsonst.«
»Sie haben recht. Ich will nur, dass Sie etwas publizieren, ohne die Quelle preiszugeben.«
»Wieso tun Sie es nicht selbst? Ist es Ihnen zu gefährlich?«
»Man könnte eventuell den Weg zurückverfolgen. Aber Sie sind unabhängig, Sie leben im Ausland, Ihnen stehen andere Wege offen – sicher auch andere Ideen und Kanäle.«
Henry starrte in Kochs hageres Gesicht. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, er sah schlecht aus, mitgenommen, abgearbeitet und deprimiert. So nah wie jetzt war er ihm noch nie gekommen. Hatte Koch bislang den Kettenhund nur gespielt? Der Zweifel machte Henry offen für sein Anliegen.
»Was sind das für Informationen?«
»Es ist eine Art Dokumentation, ein Dossier, wie er die Hamburger bekämpft. Sie sind seine Konkurrenten. Sie haben ihm die Hälfte des Umsatzes genommen und das Renommee, der Einzige zu sein. Dort werden so viele Weine verkostet wie bei uns. Er greift sie bei jeder Gelegenheit an. Seine Rede vorhin war auf sie gemünzt, nicht auf irgendwelche kleinen Preise, irgendwelche Kammerpreismünzen. Die der DLG, der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, zählt in diesem Zusammenhang nicht. Das nimmt ihm nichts vom Umsatz weg und schmälert auch seinen Status nicht. Aber Hamburg ist inzwischen gleichauf – und könnte vorbeiziehen. Er hat sich bei der Landesregierung, beim Ministerium und bei der OIV gegen die Hamburger gewandt. Er diffamiert einzelne Personen, greift sie als unseriös persönlich an, wirft ihnen Gesetzesbruch vor, er behauptet, dass andere Chargen als die prämierten mit den Medaillenausgezeichnet würden, andere Abfüllungen, er schaltet …«
»Das reicht, Herr Koch, das reicht. Wen sollte das interessieren?«
»Die Teilnehmer der Challenge natürlich – die Weinhändler und auch ihre Kunden. Für sie ist man angeblich da, ihnen will man mit der Prämierung Hilfestellung bieten, so wird es nach außen hin verkauft.« Er hatte sich in Wut geredet, seine Augen glühten wieder.
Mit derselben Inbrunst, mit der er zuvor über mich hergefallen ist, fällt er jetzt über Heckler her, dachte Henry und nahm sich vor, jedes Wort von Koch auf die Goldwaage zu legen. Er war längst nicht von dessen Läuterung überzeugt. War das Ganze eine Falle, in die er hineintappen sollte, womöglich mit gefälschten Dokumenten? Wenn er das publizieren würde, ohne es genau zu prüfen, wäre ihm der Spott der gesamten europäischen Weinbranche sicher, ein Prozess wegen Verleumdung, und beruflich wäre er mehr als tot. Er könnte sich höchstens als Biograf für abgehalfterte Politiker verdingen und ihnen aus Notlügen und Halbwahrheiten einen Lebenslauf zusammenschustern.
»Sie sagen gar nichts«, bemerkte Koch. »Was
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