Sein letzter Burgunder
»Erst ein Mord, und dann das hier? Da – da will Sie jemand abhören.« Er hielt Henry den schwarzen Würfel in der offenen Hand hin. Als der danach greifen wollte, schloss sich seine Hand. »Das muss ich melden!«
»Wenn Sie mir einen riesigen Gefallen tun wollen, danngeben Sie die Information nicht weiter. Sie warnen denjenigen, der das eingebaut hat. Er muss nicht wissen, dass wir es wissen. Nur so kann ich herausfinden, wer es war. Oder glauben Sie, dass die Polizei das rausfindet?«
Als Henry die Zweifel im Gesicht des Technikers bemerkte, wusste er, dass der Mann mitspielen würde.
»Wie weit sendet so ein Ding? Wie nah muss man ran, um mitzuhören?«
»Ich werde mich schlaumachen. Ein Freund von mir ist Elektroniker, den frage ich. Ich glaube, das Ding schaltet sich ein, wenn gesprochen wird. Es gibt ein Signal an ein Mobiltelefon. Da werden alle Geräusche im Raum erfasst, egal, ob Sie telefonieren oder reden.«
»Dann wissen die – Installateure, dass wir das Ding gefunden haben, und hören jetzt mit?«
»Davon müssen Sie ausgehen. Also ist nix mit Geheimhaltung, ich melde den Vorfall besser …«
»Aber nur dem Direktor! Versprechen Sie es mir?«
Der Techniker nickte. Er war viel zu beeindruckt, um sich nicht daran zu halten. Henry setzte sich auf die Fensterbank und starrte nach draußen. Wie friedlich der Park und die Stadt da unter ihm lagen, schön anzusehen in der Morgensonne, sogar Kinder auf dem Schulweg sah er, Rentner mit dem Hündchen, ein Fahrradfahrer mit einer Brötchentüte. Und in diesem Hotel hatte ihn also jemand im Visier.
Er konnte sich vorstellen, dass die Wanze gestern eingebaut worden war, als er im Restaurant gewesen war. Wer außer dem Mörder von Amber konnte daran interessiert sein, sich über seine, Henrys, Schritte zu informieren? Die ganze Angelegenheit begann, ihm über den Kopf zu wachsen. Die Situation spitzte sich schnell zu, es wurde brenzlig, jetzt sogar auch für ihn …
14
Viererwette
Als er sein Hotelzimmer in Richtung Frühstücksraum verließ, dachte Henry noch immer über den Vorschlag von Hecklers Kettenhund nach. In seinem Kopf blieb er bei der Bezeichnung, die Wandlung nahm er Koch nicht ab. Vor einer Entscheidung, auf dessen kompromittierende Dokumente über Hecklers Machenschaften zurückzugreifen, musste er Dorothea fragen, auf welchem Weg er in den Verlagsrechner eindringen konnte. Koch war gefährlich, heute wechselte er auf seine Seite, morgen wieder auf eine andere. Seine Dokumente ließen sich nur nutzen, wenn sie überprüfbar waren. Sollte er sich sofort darum kümmern oder erst die Recherche über die Kaiserstühler Weine beenden? Im Grunde waren sie ihm wichtiger. Allem anderen widmete er sich nur gezwungenermaßen. Doch das Problem Heckler war brandeilig.
Vor der Fahrstuhltür stand eine Frau, die sich ihm zuwandte, als er auf den Flur trat und die Zimmertür hinter sich schloss. Sie war eine auffällige Erscheinung, hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht, langes, lockiges schwarzes Haar und war adrett mit Rock und weißer Bluse bekleidet. Darauf prangte über einem fülligen Busen das Namensschild mit dem Emblem des Hotels. Henry hatte sie schon mal irgendwo gesehen. War es hier im Hotel gewesen? War es letzte Nacht in der Altstadt gewesen, in Begleitung der italienischen Winzer? Er trat näher, grüßte und blickte auf ihr Namensschild.
»Frau Schönhals?«
»Bitte, mein Herr, was kann ich für Sie tun?«
So wie sie reagierte, war er für sie ein Unbekannter. Oder tat sie nur so? Er musste sich auf die Schnelle etwas einfallen lassen. »Sie arbeiten hier – in der Verwaltung?«
»Selbstverständlich. Was …«
War sie das, die Frau von letzter Nacht?
»Wenn man sich Post ins Hotel schicken lässt, wo kann man erfahren, ob …?«
»Wir schauen nach, ob der Gast bei uns logiert und welche Zimmernummer er hat. Es kommt darauf an, wie groß die Sendung ist. Ein Brief wird an der Rezeption aufbewahrt, größere Sendungen bleiben im Büro. Noch etwas?«
»Nein, das war alles. Vielen Dank.«
»Ach!« Sie fasste sich an den Kopf, als würde sie sich an etwas erinnern, das sie irgendwo liegen gelassen hatte. »Dann noch einen schönen Tag – und angenehmes Verkosten.« Sie verzog das Gesicht zu dem Lächeln, das man auf Hotelfachschulen lernte, wandte sich ab und bog mit wiegenden Hüften in einen anderen Flur ab. Kurz vor der Zwischentür wandte sie sich um, als wollte sie sehen, ob er ihr nachschaute.
Das tat
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