Sein letzter Burgunder
Keller und im Weinberg allein, dreieinhalb Hektar lagen für einen Einzelgänger an der Obergrenze des Machbaren.
Schwenkbraten vom Schwein gehörte zu den Rennern. Die Spinatlasagne war nichts für Frank, Lasagne gab es zu Hause täglich, er entschied sich fürs Vesperbrett mit Wurst und Speck. Henry nahm die Bauernwürste mit dem berühmten Kartoffelsalat.
Das Essen war im Gegensatz zur Hotelküche eine Erholung. Es diente ihnen einige Zeit als Vorwand, um nicht über die Dramen der letzten Tage zu reden. Beide umgingen die harten Themen und wussten doch, dass sie unvermeidlich waren, zumal Frank von Hecklers Erpressung wusste.
»Wie wirst du den Hals aus der Schlinge ziehen? Bitte nicht mit einem Mord«, flachste er, und wusste sofort, dass diese Worte ein Missgriff waren.
»Über meine alten Verbindungen habe ich einiges über Heckler herausgefunden. Da zieht er es vor, diese Informationen unter der Decke zu halten, als mich weiter unter Druck zu setzen.«
»Schön formuliert, wachsweich. Nur wer den Sachverhalt kennt, weiß, was gemeint ist.« Frank grinste und nickte zustimmend. »Erpresser gegen Erpresser, so wird es sein! Ist damit die Suche nach Ambers Mörder vorbei?«
»Ich hatte zwischendurch anderes zu erledigen.«
»Was ist mit der Wanze, was mit dem Frontalangriff auf dich? Da kommt was nach – tu nicht so, als ob es erledigt wäre, das ist Vogel-Strauß-Politik. Ich sehe euch nicht, liebe Gangster, dann tut mir bitte auch nichts. Das Verbrechen ist zu klar, zu direkt und zu perfekt ausgeführt, als dass wir Zufallstäter vor uns hätten.«
Wenn andere laut sagten, was man selbst verdrängte, wurde es schwierig, sich vor einer wie immer gearteten Wahrheit zu verstecken. »Ich hoffe, dass sie abgereist sind«, sagte Henry und merkte selbst, wie kleinlaut das klang. »Der oder die Mörder haben ihr Ziel erreicht, Amber ist tot, das haben sie gewollt. Jede weitere Aktion zieht mehr Aufmerksamkeit nach sich.«
»So wie du die Sache geschildert hast, wissen sie durch die Abhöraktion von Hecklers Forderung. Sie wissen aber nichts von einem möglichen neuen Arrangement. Also stehst du meiner Meinung nach weiter auf der – ich sag es ungern – Abschussliste!«
»Meinst du das ernst? Willst du mir den Kartoffelsalat verderben?«
»Bei solchen Dingen scherze ich nicht, übrigens, mein Spätburgunder hier ist spitze. Wie machen die so gutes Zeug?«
Henry nahm die Flasche in die Hand und schaute aufs Etikett. »Die Lage ist wichtig, der Winzer hat die Klone ausgesucht, er macht den Rebschnitt nach seinen Vorstellungen, entscheidet über den Lesezeitpunkt und das Lesegut …«
»Danke, das reicht, darüber kannst du dann mit meiner Frau reden, wenn ihr zu uns kommt, von morgens bis abends. Du siehst vom Gästezimmer direkt auf die Weinberge. Ich nehme dann deine Frau mit in die Uffizien oder nach Siena. Liebt sie Kunst?«
»Holländische Meister, Goya und moderne Malerei, Miró, sonst ist sie politisch!«
»
Dios me ne guardi
, Gott schütze uns. Italien erlebt mal wieder einen Rückfall ins Mittelalter. Da kann sie sich einmischen.«
»Und wie lebt es sich im Mittelalter?«
»Jeder gegen jeden, und alle für den, der am besten zahlt. Ich verdufte, mache mir meine eigene Welt, mit meinen Bildern schaffe ich den emotionalen Rahmen, damit andere bereit sind, ihr Geld für die überteuerten Weine auszugeben, die du ihnen empfiehlst. Ohne die Rubel der Oligarchen wären wir längst pleite.«
»Das führt mich zu Amber. Du hast bisher kein Wort dazu gesagt, was du hinter dem Mord vermutest.«
Frank Gatow wurde schlagartig ernst. »Es ist ein heikles Thema. Antonia und ich haben selbstverständlich darüber gesprochen, aber kein Wort zu anderen. Niemand lehnt sich aus dem Fenster.« Er beugte sich zu Henry, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Tischnachbarn mit sich selbst beschäftigt waren. »Ehrlich gesagt halte ich das für eine Strafaktion – für eine Hinrichtung. Alle Welt sollte es erfahren. Und genau das haben sie erreicht. Die Gründe dafür? Da hat sich einer nicht an die Regeln gehalten.«
»Und wer sind
sie
?«
Als sie später Donna Rebecca, der Wirtin des »Il Calice«, gegenübersaßen – die Sonntagsgäste hatten allesamt das Hotel verlassen –, mussten sie und die beiden italienischen Juroren, die sich hinzugesellt hatten und auch stiller geworden waren, in aller Breite von der Challenge berichten. Besonders interessierte die Wirtin die
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