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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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hörte eine Beurteilung,gab sie an anderer Stelle wieder, wo sie gar nicht passte, er schnappte Begriffe auf und brachte sie vor, als hätte er sie selbst erfunden. Alles klang so großartig, dass ihm keiner widersprach. Und wenn sich doch jemand traute, dann wies er ihn mit anderen Floskeln zurecht und stellte ihn als Dummkopf hin.«
    »Wie haben die Italiener auf ihn reagiert, seine Arbeitgeber oder Lehrer?«, fragte Frank. »Sie verstehen schließlich einiges vom Wein.«
    »Sie lieben schöne Worte, damit hat Amber sie eingeseift. Seine Arbeitgeber waren alles andere als beliebt. Überall kassierte die ’Ndrangheta, die kalabrische Mafia, alle wurden drangsaliert, Schutzgeld, Zoll, Wegegebühr bei der Lese, wer nicht zahlte, dessen Weinstöcke wurden kurzerhand abgesägt, oder ein mit Trauben beladener Hänger kam von der Straße ab oder verschwand. Keiner sprach darüber, die Angst ließ sie schweigen, wie heute. Nur das Weingut, wo Amber arbeitete, und noch zwei weitere Güter blieben verschont. Damit war klar, dass dort die ’Ndrangheta zu Hause ist. Und sie bauten Amber zu ihrem Sprachrohr auf. Er bekam dreimal so viel Lohn wie ich, obwohl er nicht einmal eine Lehre absolviert hatte. Er hatte immer Geld, er hatte ein Motorrad, er konnte mich abholen. Meine schrottreife Vespa war meistens kaputt. Da schrieb Amber bereits die ersten Beurteilungen über die verschonten Weingüter.«
    Templin stand auf, ergriff die Kaffeekanne und schenkte nach.
    »Meine Arbeitgeber glauben an mich, prahlte er, sie werden meine Arbeit finanzieren.« Damit gab er mir gegenüber an und bei den jungen Italienern, mit denen wir herumzogen. Sein Arbeitgeber finanzierte tatsächlich seinen ersten Newsletter, schon damals nannte er es Ambitions. ›Im Gegenteil zu dir habe ich welche‹, sagte er mir, ›deshalb komme ich weiter.‹ Dann hatte er ein Auto, wir anderen knatterten mit unseren Vespas durch die Gegend. Amber hat nurgelacht. Die von ihm beschriebenen Weingüter verkauften hauptsächlich in Großbritannien, sie redeten ihn groß und machten mit seinen Bewertungen Geld. Den Rest kennen Sie. Amber wurde bekannt, beliebt, dann gefeiert   – ja, und jetzt ermordet. Er wird sich abgenabelt haben, aber er muss irgendwas getan haben, was ihnen nicht gefallen hat. Oder er wollte raus. Das lassen sich die Familien nicht gefallen. Die ’Ndrangheta verlässt man nicht, obwohl ich nicht glaube, dass er drin war. Um reinzukommen, hätte er eine Italienerin heiraten müssen.«
    Henry bemerkte bei den letzten Worten, dass Frank ihm zunickte, wahrscheinlich dachte auch er ans »Il Calice«.
    Templin bemerkte es. »Ihr denkt an euer Hotel? Ich kenne keinen von beiden, weder Brunner selbst noch seine Frau. Die Schönhals, die kannte ich, da war sie noch ein kleines Mädchen. Sie war die Tochter von Gastarbeitern. Sie und Rebecca Brunner habe ich später zusammen gesehen, nicht oft, aber immer sehr vertraut, wie Frauenfreundschaften so sind, eingehakt und die Köpfe zusammengesteckt. Nicht nur ich habe mich seinerzeit darüber gewundert, dass da plötzlich ein kleiner Koch auftaucht, ohne jede Reputation, seine italienische Frau mitbringt und beide ein riesiges Bauprojekt starten. Es wurde einiges gemunkelt, aber das war vorbei, als es Jobs beim Renovieren gab, vieles wurde schwarz gemacht, Geld auf die Hand, und später kamen die Politiker. Mit den Großen legt man sich hier nicht an, da wird nur hintenherum gestänkert   – man könnte ja einen Nachteil haben und wartet auf die Krümel, die von ihren Tischen fallen.«
    Jürgen Templin starrte vor sich hin, als hätte er sich leer geredet, dann stand er auf, holte eine angebrochene Flasche Spätburgunder, sah seine Gäste fragend an, beide schüttelten den Kopf, und er trank allein. Henry sah ihm schweigend zu. Draußen graute der Morgen.
    »Haben Sie mal daran gedacht, dass der Unfall Ihrer Frauhätte arrangiert sein können?«, fragte Frank Gatow in die Stille hinein.
    »Ja, natürlich.« Ungerührt blickte Templin vom Glas auf. »An alles habe ich gedacht. Aber wer hätte das tun sollen?«
    »Derjenige, der wusste, dass Ihre Frau und Ihr Sohn unterwegs sein würden, wo sie hinwollten, wann sie von zu Hause wegfuhren   …«
    Templin zog den Kopf ein und duckte sich wie unter einem Schlag. »Das wusste   – das wusste nur mein Fahrer.«
    »Der arbeitet als Einziger Ihrer ehemaligen Mitarbeiter noch auf dem Weingut. Er wurde nervös, als ich nach Ihnen fragte.«
    »Das hat nichts zu

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