Sein letzter Burgunder
wollten, dann haben sie nicht nur einen Satz falscher Nummernschilder bei sich. Soll ich davon ausgehen, dass in jedem schwarzen BMW Mörder unterwegs sind?«, sagte er in muffigem Ton. »Die sind längst weg. Ich vermute, dass der Schlüssel zu allem dein Freund Templin ist. Er weiß, was in diesem Kelch für eine Mixtur angerührt wurde. Ich schlage vor, du gehst allein, mir misstraut er. Ich warte vor dem Haus im Auto. Such ihn auf, möglichst sofort – oder besser, nachdem du dich verarztet hast. Auf dieHausapotheke dieses Hotels würde ich nicht zurückgreifen. Die Hexe gibt dir Schlangengift statt Penicillin.«
»Ich werde jetzt den Kommissar anrufen …«
»Mitten in der Nacht? Da arbeiten die Bullen nur im Fernsehen!«
»Wir werden sehen«, sagte Henry grimmig. »Den Staatsbediensteten muss man immer Feuer unter dem Arsch machen, damit sie ihn hochkriegen. Außerdem hat er gesagt, ich könnte ihn jederzeit anrufen.«
Als sie im Treppenhaus zu Henrys Etage wechseln wollten, hörten sie ferne Stimmen. Mit einem Nicken verständigten sie sich und gingen lautlos in Richtung Küche. Eine der Annehmlichkeiten dieses Hotels waren die dicken Teppiche auf den Fluren und im Treppenhaus, sie verschluckten jeden Schritt. Das konnten nur die Hexe und ihr Messerheld mit Kochmütze sein, der Bulettenschmied.
Das Ehepaar stritt heftig, mal lauter, mal leiser, zuerst auf Deutsch, da verstand Henry noch, dass es um die Gefährdung ihrer Existenz ging. Als sie dann ins Italienische wechselte und er ihr folgte, wie immer, war Frank gefragt. Er spitzte die Ohren und legte den Finger auf die Lippen. »
Pazienzia
!«
Angespannt hörte er zu, während Henry überlegte, was er Neureuther sagen sollte. Würden sie mit ihrem gesamten Aufgebot im Wald nach einer stecken gebliebenen Pistolenkugel suchen? Im Falle Amber sicherlich, in seinem Fall wohl kaum, und wenn er die Kavallerie tatsächlich hier haben wollte, müsste er beide Ereignisse oder Fälle miteinander in Verbindung setzen. Außerdem wäre es nur gut, wenn der Mord an Amber möglichst bald aufgeklärt würde, es wäre allemal gesünder.
»Es geht tatsächlich um ihre Existenz«, sagte Gatow und zog Henry von der Tür weg. Ob hier Kameras installiert waren, stand auf einem anderen Blatt, aber sicher waren die Bilder nicht von der Küche aus abrufbar. »Er sieht es so,dass ihre Kontakte und die Leute, die hier ein und aus gingen, ihre Existenz gefährden, sie hingegen meint, dass ohne diese Leute, Namen nennt sie nicht, sie beide niemals zu dem Hotel und dem Restaurant gekommen wären und er noch immer in einer Frittenbude Currywürste braten würde.«
»Man müsste sich die Rechnungen für den Kauf und den Umbau vornehmen, aber das ist nicht unsere Aufgabe …«
»Still!« Frank hob die Hand und lauschte. »Brunner will das Handtuch werfen beziehungsweise die Schürze abbinden. Er will nicht mehr mitmachen. Es wäre interessant zu wissen, wobei.«
»Ein Drittel aller Köche kommt hier sowieso nicht regulär in Rente, die sind vorher fertig, der Stress bringt sie um.«
»Still!« Frank hob die Hand wieder, dann stieß er Henry zurück. »Sie kommt! Weg hier, die Hexe will schlafen gehen.«
Henry bemerkte an Kleinigkeiten, dass jemand in seinem Zimmer gewesen war. Er sah es an den Unterlagen über die Winzer, auch wenn sie nur einen Millimeter verschoben waren, und sein Laptop steckte verkehrt in der Tasche. Hatte jemand die Datei von John Johansen gelesen? Ansonsten hatte er nichts notiert, was für seine Verfolger für Belang sein konnte. Er ging ins Badezimmer, wusch sich und desinfizierte die Schramme, die gefährlicher aussah, als sie war. Er setzte sich im Bademantel mit dem Wappen des »Il Calice«, einem Kelch und Schriftzug, an den Schreibtisch und schaltete sein Mobiltelefon ein. Isabella hatte mehrmals angerufen, Capitán Salgado ebenso. Schön, wenn sie Mendoza geschnappt hätten. Für den Rückruf war es zu spät, oder zu früh, knapp ein Uhr. Neureuthers Rufnummer probierte Henry trotzdem aus.
Er musste ihn aus dem Tiefschlaf gerissen haben, der Kommissar knurrte seinen Namen mehr, als er ihn sprach. Aber als er gehört hatte, worum es ging, war er hellwach.
»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte er. »Soll ich einSondereinsatzkommando schicken, weil Sie beim Joggen gegen einen Ast gelaufen sind? Und dann suchen wir mit Scheinwerfern im Wald nach Pistolenkugeln? Sie sagten, die beiden Männer hätten Sie bereits beim Pferderennen gesehen.
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