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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Jetzt rächt es sich, dass Sie mir nichts gesagt haben. Übrigens, das ›Il Calice‹ war schon mal in den Schlagzeilen, weil dort häufig die Mitglieder der Partei eines damaligen Ministerpräsidenten verkehrten. Es wurde ermittelt, dann erfuhren die Besitzer   – ich weiß nicht wie   – von den Ermittlungen, die Partei zog sich zurück, und die Ermittlungen wurden eingestellt. Ob auf Weisung von oben   – wer weiß? Soweit ich weiß, reichte der Anfangsverdacht nicht für weitere Ermittlungen. Wenn ich mich um Ihre Geschichte kümmere, mache ich mich bestenfalls lächerlich, im schlimmsten Fall werde ich meinen Job los   …«
    »Und ich mein Leben«, unterbrach ihn Henry.
    »Reisen Sie ab, Herr Meyenbeeker.«
    »Klären Sie den Fall auf, dann erst bin ich sicher.«
    »Ich würde sagen, Sie machen das! Sie schienen mir immer einen Schritt voraus zu sein. Nein, nein, nehmen Sie das nicht ernst, das habe ich nicht gesagt. Ich bin spätestens zum Frühstück bei Ihnen. Bleiben Sie, wo Sie sind.«
    »Was denn nun? Bleiben oder abreisen?« Doch die Frage wurde nicht beantwortet. Neureuther hatte aufgelegt.
     
    Eine Viertelstunde später waren sie unterwegs zu Templin. Auch Franks Zimmer war durchsucht worden. »Ich habe es an der Einstellung meiner Kamera bemerkt. Jemand hat die Bilder angesehen, die wichtigen sind längst bei der Agentur, ich schicke sie abends immer weg. Ich kann ins Archiv der Agentur hinein, sie wieder abrufen, du hast sicher einen Rechner dabei. Das Kabel besorgen wir irgendwo.«
    Hinter einer Rechtskurve hielt Henry am Straßenrand, schaltete das Licht aus und wartete mit Blick in den Rückspiegel.
    »Was sind das für Fisimatenten?«, fragte Frank.
    »Willst du nicht wissen, ob uns jemand folgt?«
    »Und wenn es so wäre?«
    »Dann müssten wir umkehren, mein Freund, jedenfalls die Verfolger nicht zu Templin führen.«
    »Das klingt logisch«, meinte Frank und gähnte herzhaft. »Mach es kurz, wenn du mit ihm redest. Ich bin halb tot vor Müdigkeit. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich begleite dich nur aus Solidarität.«
    »Wie schön, dass jemand das Wort noch kennt. Es liegt sicher daran, dass du in deinen toskanischen Bergen die Veränderungen in diesem Land nicht mitbekommen hast. Hier ist das Wort aus dem Sprachschatz gestrichen. Es zählt nur noch der Einzelne. Ich glaube, ich kann weiterfahren, es folgt uns niemand.«
     
    Jürgen Templin reagierte schnell aufs Läuten an der Haustür, er wirkte verschlafen, aber nicht betrunken und nicht sonderlich überrascht, dass Henry mitten in der Nacht aufkreuzte.
    »Allein?«
    »Nein. Der Kollege wartet im Wagen, zur Sicherheit.«
    »Ist es so ernst?«
    »Spielen Sie nicht den Harmlosen, Templin, das nehme ich Ihnen nicht mehr ab. Sie können helfen, die ganze Scheiße aufzuklären und sie möglichst rasch zu beenden.«
    »Dann rufen Sie Ihren Kollegen, und wir gehen ins Haus, es braucht nicht die gesamte Nachbarschaft   …«
    »Frank Gatow bleibt draußen, als Wachhund.«
     
    Die Wohnung des ehemaligen Winzers machte einen aufgeräumten und sauberen Eindruck, etwas alt und abgeschabt die Möbel, aber durchaus wohnlich. Das Quartier eines Alkoholikers stellte Henry sich anders vor. Templin sah ihm an, was er dachte.
    »Keine leeren Flaschen, habe ich alle eben noch in den Glascontainer gesteckt, bevor Sie kamen. Und die vollen sind im Küchenschrank. Machen Sie bloß nirgends eine Tür auf, dann kullern sie raus.«
    »Reden wir nicht lange herum, Herr Templin. Was wissen Sie   – über Amber und über das ›Il Calice‹?«
    »Es geht Ihnen dreckig, ich verstehe, jemand hat Sie umbringen wollen. Gut, irgendwann muss Schluss sein. Jetzt, wo Amber tot ist, kann ich darüber reden, wäre er noch am Leben und ich würde Ihnen das hier anvertrauen, würden seine Anwälte mich fertigmachen   – nein, eher seine Freunde. Ich muss weit ausholen, es ist mehr als dreißig Jahre her, fast vierzig, eine Rückblende, sozusagen, die Anfänge   … ich war damals ein junger Mann   …«
    Bevor er seine Geschichte begann, bedeutete er Henry, den Fotografen zu holen, er könne von hier oben die Straße besser beobachten und bekäme eine gute Story geliefert. »Und wenn was passiert   – was könnten wir tun? Rein gar nichts. Diese Leute, das sollten Sie wissen, kennen keine Skrupel. Sie sind nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Sie fühlen sich ausschließlich der Familie verpflichtet, mehr als ihrer Organisation. Ich koche uns mal einen

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