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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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oder zumindest in einen anderen Raum.
    Henry ließ sich nicht vom Château Haut-Brion abbringen. »Dreihundert Euro die Pulle«, sagte er grinsend, »das habe auch ich nicht alle Tage.« Er nahm eine Dekantierkaraffe und machte sich ungeachtet der Situation an das genussvolle Öffnen dieses flüssigen Schatzes. »Dann geht es besser, du wirst es sehen, Frank   …«
    Der wollte immer noch die Vitrine wegdrücken, zur Not auch allein. »Den Wein kriegst du noch   … erst die Arbeit.«
    »Noch immer mit den deutschen Sekundärtugenden infiziert? Italien beeinflusst dich nicht so stark?«
    »Ich bin zu alt, um mich zu verändern«, sagte Frank und klopfte weiter.
    War das ernst gemeint? Henry glaubte es nicht, weil er sich diesen Zustand ungern vorstellte. Wenn er um sein Gleichgewicht kämpfte, konnte er alle negativen Gedanken beiseitedrängen. Dabei wusste er genau, in welcher Lage sie sich befanden. Er nahm einen tiefen Schluck, auch weil er Hunger hatte. Nein, das würde nicht sein letzter Château Haut-Brion sein, und die Burgunder aus dem Kaiserstuhl und der Bourgogne, darunter Flaschen aus Puligny-Montrachet, aus Gevrey-Chambertin und die ganz besondere von der Domaine de la Romanée-Conti machte er sofort auf. Sie brauchten Luft. Brunner signalisierte durch ein müdes Lächeln Zustimmung dafür, dass man sich an den Weinen bediente, die letztlich der ’Ndrangheta gehörten, wie Henry vermutete.
    Da ließ Frank von der Vitrine ab und griff zu. »Sekundärtugenden sind nur dort hilfreich, wo sie erfunden wurden. Bei uns macht man sich damit nur lächerlich. So, und jetzt fass endlich mit an«, sagte er, als er das Glas abgestellt hatte.
    Brunner hielt fünf Finger in die Luft. »Sorgfältig vinifiziert, mit dem ganzen Know-how der Jahrhunderte, langsam in edlen Eichenfässern aus Limoges gereift.«
    »Und was hast du damals dafür bezahlt, Brunner? Hast du überhaupt bezahlt?«
    Der hielt noch immer die fünf Finger in die Höhe.
    »Fünfhundert? Egal, ist auch nur ein Wein, oder, Frank? Das ideale Preis-Genuss-Verhältnis. Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.«
    »Das wird die teuerste Weinprobe meines Lebens«, sagte Frank, trank und stellte das Glas neben das halb volle mit dem Château Haut-Brion aus Bordeaux. »Bestimmt nicht die letzte. Trotzdem dürfen wir die Übersicht nicht verlieren.«
    »Das ist ein hilfreicher und intelligenter Kommentar, mein Freund, in jeder Lebenslage stimmt er.« Henry tat, als krempele er die Ärmel auf, obwohl es kalt war, und gemeinsam untersuchten sie das Mauerwerk. Es zeichnete sich zwar hier und da ein Schatten ab, aber es gab keinen Durchlass. Sie rückten die Vitrine weiter zur Seite. Jetzt richtete sich Brunner wieder auf, er schien sich zu erholen und ließ sich von dem Burgunder einschenken.
    Das nächste Regal auszuräumen und die steinernen Hohlblöcke wegzuräumen, war Knochenarbeit. Dann tauschten sie die Kisten vor der Tür gegen die Blöcke aus, sie waren weitaus stabiler, und bauten die Kisten dahinter wieder auf. Dabei überlegte Henry, ob sie die Steine nicht als eine Art Ramme verwenden könnten. Sie kamen auf die Idee, aus den Holzlatten eines Regals eine Art Brecheisen zu basteln, aber die Tür war in den Rahmen eingelassen, und sie konnten nirgends den Hebel ansetzen. Sie konnten eine Flasche zerschlagen und mit den Glasscherben vielleicht das Holz aufkratzen.
    »Damit bist du drei Wochen beschäftigt«, meinte Frank und klopfte weiter an den Wänden herum. Er hatte sich für einen Barolo von Bricco Rocche entschieden, ein Weingut, das er fotografiert hatte. Für die Weine von Gaja, Barbaresco und Nebbiolo war er nicht zu haben. »Sie sind mir zu gefällig.«
    Brunner forderte sie weiter zum Trinken auf, als würde die Welt untergehen. »Nehmt, was immer ihr wollt, heute leben wir, wer weiß, was morgen sein wird?«
    Henry ärgerte sich über Brunners Jammern, er ließ sich von seiner Weltuntergangsstimmung nicht anstecken. Er betrachtete in den Klopfpausen die Weine aus Portugal. Es gab etliche Vinhos verdes aus dem Minho und Alvarinhos, die in Galizien »Alvariño« genannt wurden, für Henry galten sie als Spaniens beste Weißweine. Hier lagen Flaschen aus dem Alentejo, aus Setúbal und von den Douro Boys.Henry schlug vor, den 2005er von Lavradores de Feitoria zu öffnen, wobei Frank ihm zustimmte, der sich aber deutlich mehr für die Mauerritzen als für den Wein interessierte. Er leerte eine kaum angebrochene

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