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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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ernst«, stammelte er, als müsse er sich selbst Gewissheit verschaffen.
    »Na klar mache ich ernst   …«
    In dem Moment warf sich der Koch nach vorn   – und Rebecca schoss.
    Ihr Mann schrie auf, krümmte sich und griff mit einerHand an die rechte Seite, zog sie zurück und starrte mit dem Ausdruck völliger Verblüffung auf seine blutige Hand.
    Nein, er hat nicht geglaubt, dass sie auf ihn schießt, dachte Henry und sah statt eines Ausdrucks von Schmerz, Angst oder Wut nur absolutes Erstaunen in Brunners Gesicht. Er hatte ihre Gleichgültigkeit mit Unaufmerksamkeit verwechselt. Henry sah seinen Moment gekommen, duckte sich zum Sprung und blickte direkt in die Mündung der Pistole.
    »Für wie dumm haltet ihr mich eigentlich? Ich will die Schweinerei nur nicht in der Küche haben.«
    Diese Frau hatte es geahnt, sie war eiskalt, sie hatte nicht zum ersten Mal auf jemanden geschossen. Erst jetzt, als Henry ihr über die Pistole hinweg in die Augen sah, begriff er den Ernst ihrer Lage. Es machte ihr nichts aus, einen nach dem anderen von ihnen zu töten. Aber weshalb zögerte sie? Henry sah zu Frank hin, der hatte den Blick gesenkt, er schien etwas auszuhecken und wollte sich nicht durch die Augen verraten. Diese Frau begriff nicht mit dem Intellekt, sie spürte wie ein Tier, was um sie herum vorging und was sie planten.
    Als Henry und Frank sich um den Koch kümmern wollten, der sich noch immer in einer Schockstarre befand, abwechselnd die blutige Hand, seine Frau und die Wunde betrachtend, zwang sie die Pistole wieder zum Stillstehen.
    »Du hast tatsächlich auf mich geschossen? Du hast mich fast getötet, du Bestie!«
    »Wenn ich es gewollt hätte, könntest du durch ein neues Loch in der Lunge atmen.«
    Wie sehr musste die Frau ihren Mann hassen?, dachte Henry und fühlte sich fremd hier, mehr Beobachter denn Beteiligter. Aber er wusste, dass es ein gewaltiger Irrtum war. Er war zu verwirrt, um Angst zu haben.
    »Ist es wirklich nur ein Streifschuss?«, fragte Frank.
    Brunner nickte mehrmals, die Blutung schien rasch zumStillstand gekommen zu sein. Die Wunde befand sich unterhalb der rechten Rippe, die Kugel musste zwischen Körper und Arm hindurchgegangen sein. Das war mit Absicht geschehen? So gut schoss niemand.
    »Du gehst vor«, sagte Rebecca Brunner zu ihrem Mann, »den Weg in den Weinkeller findest du allein. Los, geh! Ihr anderen legt die eine Hand in den Nacken, die andere auf die Schulter des Vordermannes und folgt ihm.«
    »Weshalb erledigen Sie das nicht alles gleich hier?«, fragte Frank.
    »Kannst es nicht erwarten? Du Schlaumeier hältst dich für super, nur weil du zufällig in Italien lebst, und meinst, du kennst uns? Da hast du dich getäuscht. Da wird sich Antonia Vanzetti wohl einen neuen Liebhaber suchen. Hast du dir selbst eingebrockt. Ihr zwei Kanaillen hättet nach Hause fahren sollen, statt hier herumzuschnüffeln.«
    »Damit kommen Sie niemals durch«, sagte Henry, um Zeit zu gewinnen. Er wusste aus Erfahrung, dass man aus Weinkellern selten entkam; die Türen waren massiv, die Wände aus schweren Steinen und der Empfang für Mobiltelefone gleich null. Damals in La Rioja, als sie ihn eingesperrt hatten, war ihm die Flucht durch Zufall geglückt. Zweimal hatte man selten Glück   …
    Er legte Frank wie befohlen die Hand auf die Schulter, der tat es beim Koch. »Irgendwas fällt uns ein«, raunte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, »irgendwas fällt einem immer ein.«
    Als Henry die massive, mit Eisennägeln beschlagene Bohlentür des Weinkellers sah und die massiven Quader der Türeinfassung des Gewölbes, war er nicht mehr so sicher. Sollte er sich umdrehen und einen direkten Angriff wagen? Rebecca Brunner war nur zwei Schritte hinter ihm, sie würde nicht zögern. Verdammt, was konnte er tun? Henry überlegte fieberhaft. Hing auf dem Weg in den Keller ein Feuerlöscher, der sich als Waffe benutzen ließ? Sollten sieschreien, damit von den letzten Gästen jemand sie hörte, oder sich zu dritt auf der Treppe gleichzeitig auf sie stürzen? Einer würde getroffen werden, er war ihr am Nächsten. Waren sie erst im Keller, dann waren sie weit weg von jeder anderen Wirklichkeit.
    »Weitergehen, reingehen, den Rest übernehmen andere!« Mit diesen Worten schlug sie die Tür des Weinkellers hinter ihnen zu und schloss ab.

20
Klopfgeräusche
    Von der Außenwelt oder von der wahnsinnigen Rebecca war nichts mehr zu hören. Brunner setzte sich stöhnend auf einen Stuhl, Frank kümmerte

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