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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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begutachten.« Henry schüttelte angewidert den Kopf. »Eine bessere Methode, sich den Wein abzugewöhnen, gibt es nicht. Und kauft er diese Flaschen täglich? Wie bezahlt er das? So viel Geld kann er mit seinem Magazin nicht verdienen. Ich mache es anders. Ich liebe das Reisen, die Besuche, die Proben und die Fachgespräche, ich tauche in Spaniens lange und wechselvolle Geschichte ein, in die Geschichte alter Familien und sammle Material über Menschen, über ihre Irrungen und Wege, über falsche und richtige Entscheidungen. Ich nehme teil, ich werde ein Teil des Ganzen   – aber soll ich den Winzern Punkte geben für ihr Leben, für die Art, wie sie ihre Ehe führen oder ihre Kinder erziehen?«
    »Wer weiß, vielleicht steckt man uns in Baden-Baden einen Button an, mit Amber-Punkten drauf, damit jeder weiß, was wir als Juroren wert sind?«
    »Auf dieselbe Idee ist neulich ein befreundeter Weinhändler gekommen. Es ist keine schlechte Idee, Signora, ich werde das Herrn Heckler vorschlagen, wenn ich ihn treffe. Aber die Punkte kriegen wir erst hinterher, wenn der Verlag ausgewertet hat, ob wir richtig bewertet haben.«
    »Das tut er?«
    »Das wussten Sie nicht? Alle Ergebnisse werden genaudokumentiert, kein Fragebogen geht verloren. Hinterher lässt sich feststellen, welche Punktzahl Sie dem Siegerwein der Gruppe zwischen zehn und zwanzig Euro gegeben haben.«
    »Das ist ja schrecklich.« Antonia Vanzetti war ehrlich empört.
    »Ich finde das richtig. Nur so vermeidet man   …« Jetzt fehlte Henry das englische Wort für »Schmu«. Für »Schiebung« fand er auch nichts,
fraud
, Betrug, war zu hart, aber das Naheliegende kam ihm zuletzt in den Sinn. Es war in beiden Sprachen identisch: »Humbug«! Nur verstand Antonia Vanzetti das nicht.
    Als die Valianos auf die Terrasse zum Frühstück traten und auf ihren Tisch zusteuerten, war Henry überflüssig. Den beiden würde er in Baden-Baden noch häufig über den Weg laufen. Er verabschiedete sich von Signora Vanzetti.
    »Ich bin gleich in Ihringen mit Ihrem Mann verabredet. Ansonsten sehen wir uns beim Empfang in Baden-Baden.«
    Signora Vanzetti konnte Henrys Verhalten durchaus einordnen. »Wissen Sie, worauf ich mich besonders freue? Aufs Pferderennen am Wochenende. Hoffentlich haben wir Gelegenheit dazu, im Programm war es angekündigt. Pferde sind so schön, und ich wette für mein Leben gern«, sagte sie nach kurzem Zögern.
    »Dann geben Sie mal gut auf Ihr Weingut Acht. Das Hotel soll nicht weit von der Spielbank entfernt sein. Wir wollen nicht hoffen, dass Ihr armer Fotograf Sie am Ende ernähren muss. Von Fotobüchern lassen sich keine Schlösser bauen, höchstens Luftschlösser   …«
    Signora Vanzetti wusste es zu nehmen.
     
    Das Weingut Dr.   Heger in Ihringen aufzusuchen war ein Muss. Es galt als eines der besten im Kaiserstuhl, wenn es nicht zu den besten im Lande gehörte. Aber was war schon das Beste? Das Beste gab es in Henrys Augen sowieso nicht,es gab viele sehr gute. Er hatte nie zuvor einen Wein von Heger probiert. Als er noch für Wein & Terroir geschrieben hatte, war er fast nur im Ausland unterwegs gewesen und hatte deutsche Weine links liegen lassen. Diese Sünde rächte sich jetzt. Er kannte mexikanischen Wein, den brasilianischen fand er langweilig und viel zu teuer, die Chilenen verstanden was vom Geschäft. Er hatte mit Isabella zusammen ihren Onkel besucht, der als Zwanzigjähriger vor seinem Vater nach Chile geflohen war und unter höchsten Entbehrungen in der Maule-Region, zweihundert Kilometer südlich von Santiago, ein Weingut aufgebaut hatte. Ab und zu hatte Isabellas Vater dem Bruder heimlich Geld geschickt. Aber wozu Weine, die es in jeder Art, in jeder Qualität und Preislage auch in Europa gab, mit dreckigstem Öl im Schiffs kessel über die Weltmeere schippern? Globalisierung half nur den ohnehin Mächtigen, alle anderen verloren.
    Ein Shiraz vom Weingut Hope aus Australien, The Ripper, sicher! Etwas Gleichwertiges wie den Top-Malbec aus der argentinischen Andenprovinz Mendoza gab es in Europa nicht. Und ein schöner Pinotage vom Cap aus Südafrika war allemal sein Geld wert   – aber von normalen Menschen kaum bezahlbar. Dreißig Euro für eine Flasche Wein war eine stattliche Summe. Alles andere bekam man hier. Vor allem die wunderbaren Kaiserstühler Burgunder.
    Für zehn Uhr war Henry mit Joachim Heger verabredet, Winzer und Unternehmer. Ohne zu fragen hatte er Gatow zu dem Interview eingeladen. Die Art, wie er seine

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