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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Arbeit bei Salwey gemacht hatte, war unauffällig und leise gewesen, und er wusste Fragen zu stellen. Wahrscheinlich würden sie gleich in den Weinberg fahren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Aber um zehn Uhr war hier das Licht bereits zu hart, zu weiß, es nahm allem die Farbe und die Schatten.
    Nach Ihringen brauchte Henry nicht einmal eine halbe Stunde. Erschrocken stellte er fest, dass er auf den schmalen Landstraßen nach zwei Tagen genauso raste wie die Einheimischen,die ihn in ihren Kleinwagen gnadenlos überholten. Hatte Templins Frau auch zu diesen Rasern gehört? Als Henry sich vorstellte, dass plötzlich hinter einer Kurve ein Traktor aus einem der Feldwege biegen konnte, nahm er den Fuß vom Gas. Templins Behauptung, dass da jemand Fahrerflucht begangen hatte, empfand er auf einmal als gar nicht mehr abwegig. Man müsste erfragen, wer in der Nähe der Unfallstelle Land bestellt hatte und zur fraglichen Zeit unterwegs war, da ließ sich der Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Und wer aus seiner Arbeit an jenem Tag ein Geheimnis machte, war verdächtig. Dann hieß es graben, konfrontieren, provozieren   …
    Das kleine Ihringen kam ihm als Großstädter bereits bei der zweiten Durchfahrt vertraut vor. Am Ende der Wasenweiler Straße bog er rechts in die Bachstraße ab, links ging es zum Weingut Pix, einem Biowinzer und erklärtem Grünen der ersten Stunde. Er fuhr wieder bei Stigler vorbei, warf einen Blick durch das offene Tor in den Hof und entdeckte sein Ziel etwas weiter auf der rechten Seite. Den Parkplatz fand er vor der Kirche. Da stand auch der silberne Lancia.
    Der Fotograf stand in Hegers Weinstube vor einem bis an die Decke reichenden Holzregal. In den Fächern befanden sich Flaschen der verschiedenen Weinlinien. Die Paradeweine liefen natürlich unter dem Namen »Dr.   Heger«, nach dem Großvater und Gründer des Weinguts, der Landarzt war. Aber auch unter ihnen gab es Unterteilungen nach Lagen, der Ihringer Winklerberg und der Achkarrer Schlossberg standen an der Spitze. Beide Lagen brachten bei den drei Burgunderreben die besten Ergebnisse. Die zweite Linie hieß »Weinhaus Joachim Heger«. Ein Preisgefälle gab es allemal, ob es auch ein Qualitätsgefälle gab? Wenn der Preis etwas mit dem Wert zu tun hatte, also mit der Erntemenge und der investierten Arbeit, der Lagerzeit   – ein Barrique kostete an die tausend Euro   –, dann sicherlich. Bei einem renommierten Weingut sollte man davon ausgehen. Gatowwar der gleichen Ansicht. Als sie die Preisliste vor Augen hatten, fand Henry sein Urteil bestätigt.
    »Wie viele verschiedene Weine bietet Ihre Frau auf Ihrem Weingut an?«, fragte er den Fotografen.
    Der rechnete kurz nach. »Es sind fünf Rotweine und zwei Weißweine, dann kommen noch die älteren Jahrgänge hinzu, aber mehr als fünfzehn sind es nicht, da ist der Vin Santo schon mitgezählt.«
    »In Spanien ist das ähnlich, drei oder vier rote und zwei weiße Rebsorten und fertig. Haben Sie eine Erklärung, warum die Winzer hier schon mehr Rebsorten verwenden, als Sie in der Toskana überhaupt Weine haben? Die verzetteln sich. Meinen sie etwa, dass sie für jeden Wunsch den passenden Wein brauchen?«
    »Frag mich das nicht«, sagte Frank Gatow, »frag den Winzer.« Zum Du überzugehen war eine Selbstverständlichkeit. Sie setzten sich und tranken Kaffee, was vor der Probe eigentlich verpönt war, Kaffee veränderte die Geschmackswahrnehmung.
    »Weißt du, wie es zu dem Namen ›Kaiserstuhl‹ gekommen ist?«, fragte Gatow. »Diese Hügel, Berge will ich sie nicht nennen, haben die Form eines Sessels. Im Osten ist die Lehne, und nach Westen, dem Rhein zu, streckt man die Beine aus.«
    »Dazu müsste man ein Riese sein. Es gibt einen ganz konkreten historischen Bezug.« Henry hatte sich vor der Reise informiert. »Im Jahr 994 hat Otto III. in Leiselheim bei Sasbach Gericht abgehalten. Deshalb hießen diese Höhenzüge zuerst Königsstuhl. Als Otto dann Deutscher Kaiser wurde, hat man auch seinen Stuhl zum Kaiser gemacht. Hier haben sich Staufer um die Macht geprügelt, später hetzten die Grafen von Freiburg und die Pfalzgrafen von Tübingen ihre Männer aufeinander. Und die weltlichen Herrscher haben ihre Soldaten immer auf die der Äbte und Bischöfe von Straßburg und Basel losgelassen. Später fiel die Region Österreich in dieHände. Die Franzosen haben auch mitgeschossen, Breisach wurde sogar im letzten Krieg noch bombardiert.«
    »Egal, was es gibt, wir müssen uns

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