Sein letzter Burgunder
spannender, und an einer italienisch-spanischen Frauen-Wein-Liga mangelt es noch. Außerdem haben wir ein schönes Apartmentfür unsere Gäste.« Ihre gute Laune erklärte sie mit Blick auf das vor ihr liegende Smartphone. Sie habe heute Morgen per Telefon einen großen Auftrag erhalten.
»Und wie geht es dem Koch?«, fragte Henry. »Lebt er noch?«
»Es soll schlimmer sein, als das Theater gestern vermuten lässt. Er kam vorhin kurz vorbei, er trägt den Arm in einer …« Sie suchte nach dem passenden Wort für Schlinge und verwendete
noose
dafür, was Henry auflachen ließ.
Ein wenig beleidigt sah sie ihn an. »Was ist daran falsch?«
»Die
noose
wird einem um den Hals gelegt«, dass Henry dabei an die Ehefrau dachte, behielt er für sich. »Den Arm steckt man in eine
sling
.«
»Ich verstehe nicht, wieso seine Frau so wütend wurde. Niemand schneidet sich absichtlich die halbe Hand ab. Diese Schmerzen – Signore Brunner hat keinen Ton von sich gegeben. Haben Sie die Tränen in seinen Augen gesehen?«
Daran erinnerte sich Henry nicht, er hatte auf die Frau geachtet. »Krankfeiern will er bestimmt nicht, der wäre froh, wenn er sich in der Küche verstecken dürfte. Da wäre er vor seiner Frau sicher.«
»Sie sind böse«, sagte Antonia Vanzetti schmunzelnd.
»Er war gestern extrem nervös. Ist er immer so?«
»Das ist mir auch aufgefallen. Zuerst war er die Ruhe selbst. Doch vorgestern Abend hatte er Streit mit seiner Frau, sie ist schwierig, so herrisch, und gestern gab es Reibereien mit dem Personal. Das Messer war sozusagen der Höhepunkt.«
»Ist hier im Hotel irgendwas vorgefallen?«
»Auseinandersetzungen in der Ehe können einen fertigmachen, sie rauben einem den letzten Nerv. Waren Sie mal verheiratet?«
»Ja, und ich bin es wieder, so gut wie, ohne Trauschein. Ist er zufällig auch in Baden-Baden dabei?«
»Der Koch? Himmel, nein. Aber für Sie ist es sicher nicht der erste Weinwettbewerb?«
»Auf internationaler Ebene schon. In Spanien habe ich an nationalen Wettbewerben teilgenommen.« Die Sache mit der Goldenen Nase ließ er unerwähnt. »Wie ist es bei Ihnen?«
»Ich war vor zwei Jahren in Brüssel beim Concours Mondial dabei und davor bei der awc vienna, dem österreichischen Weinwettbewerb. Das ist mein Urlaub. Es waren interessante Leute aus vielen Ländern dort. Voraussetzung für die Zulassung als Juror ist der Nachweis einer amtlichen Verkosterprüfung nach dem österreichischen Gesetz oder eine gleichwertige sensorische Ausbildung. Ich habe Weinbau gelernt, an der Fakultät in Bologna. Sind die Voraussetzungen für Baden-Baden ähnlich?«
»Wir werden es erleben«, sagte Henry vieldeutig. »Es kommen mehr Leute aus Handel, Vertrieb und Publizistik. Vielleicht ist es hilfreich für Sie. Es kommt darauf an, wer den Wettbewerb veranstaltet und welche Ziele damit verfolgt werden. In Baden-Baden geht es mehr um Eigenwerbung für den Heckler-Verlag und ums Geld.«
»Wurde Alan Amber deshalb eingeladen?«
»Er ist das Zugpferd. Er garantiert die Aufmerksamkeit der Presse. Sein amerikanischer Freund ist zwar bekannter, aber Amber ist Europäer, damit ist er uns näher, auch wenn er ähnliche Maßstäbe anlegt.«
»Woher wissen Sie das?« Signora Vanzetti schien ehrlich gespannt.
»Das ist ganz einfach.« Henry erklärte ihr seine Arbeit. »Statt Punkte zu vergeben, auch keine zwanzig, wie bei einigen britischen Verkostern, reichen mir sechs Kategorien, von sehr gut bis ungenügend. Und ich fordere meine Leser auf, meist Weinhändler, Proben anzufordern und sich selbst ein Urteil zu bilden und meines zu prüfen. Alan Amber kauft angeblich Wein in aller Welt, oder die Winzer schicken ihm ihre Flaschen, weil sie mit seinen Punkten besser und teurer zu verkaufen sind. Das ist bei Ihrem Gambero Rossodoch ähnlich. Drei Gläser – da darf man auch fünfundzwanzig Euro oder mehr pro Flasche nehmen.«
Signora Vanzetti stimmte ihm zu. »Ich habe gehört, dass inzwischen Sohn Albert das Erbe angetreten haben soll. Da muss nicht einmal der Name seines Magazins geändert werden, Triple A bleibt uns erhalten. Aber Ambers Sohn soll vom Business weit mehr verstehen als vom Wein, was man vom Vater nicht sagen kann.«
»Das sehe ich anders. Amber soll früher gerne probiert haben, inzwischen ist es nur noch Geschäft. Man weiß nicht, wie es wirklich angefangen hat und was er zur Legendenbildung beigetragen hat. Heute muss er nach eigenem Bekunden hundertfünfzig Weine am Tag
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