Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
Weinhändlern abgemeldet. Die wechseln den Lieferanten, nichts einfacher alsdas. Wie wollen Sie das Ihren Partnern bei Peñasco und Lagar vermitteln?«
    Henry blickte in seine immer noch leere Kaffeetasse, die Heckler jetzt füllte. Er stellte das silberne Kännchen beiseite, lehnte sich genüsslich zurück, schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste Henry an.
    »Na? Ist das ein Angebot? Meinen anderen Mitarbeitern gegenüber bin ich nicht so großzügig. Und wenn Sie wollen, dürfen Sie sogar für mich schreiben   – gegen Zeilenhonorar.«
    Auf Henry wirkten diese Eröffnungen wie ein Kasperletheater. Heckler war ein Idiot, so hatte er ihn noch gar nicht gesehen. Nur die Rollen in diesem Stück waren nicht klar. Wenn Heckler nicht das Kasperle war, dann musste er der böse Zauberer oder der Teufel sein. Aber das war der Mörder. Um den ging es anscheinend gar nicht mehr. Alles drehte sich ausschließlich um Heckler.
    »Haben Sie nicht daran gedacht, dass auch mir daran gelegen sein könnte, den Mörder zu fassen, dass ich mich auch ohne Ihre beleidigenden Drohungen auf Ihre Seite gestellt hätte? Sie gehen davon aus, dass alle Menschen per se Ihnen feindlich gegenüberstehen. Was haben Sie für ein Weltbild, Herr Heckler? Glauben Sie, dass alle Menschen so   … negativ sind wie Sie?«
    Mit dieser Reaktion hatte der Verlagschef nicht gerechnet. Er starrte Henry an, verständnislos und verwirrt zugleich. Seine linke Hand fuhr auf der Lehne seines Sessels hin und her. »Was Sie von mir halten, ist mir völlig egal.«
    »Sie brechen einen Krieg vom Zaun, der gar nicht geführt werden muss. Am besten hören Sie zu, wenn jemand redet. Ich habe weder beabsichtigt, Sie zu beleidigen noch Ihre Veranstaltung zu sprengen. Ich hatte schlicht und einfach keinen Bock, mir einen Politschwätzer anzuhören, der letztlich doch nur eine Rolle im Kasperletheater spielt, sicher eine,von der Sie glauben, dass Sie ihm diese zugewiesen haben. Aber die Deutsche Bank oder die Bilderberger, diese geheimnisumwitterten Politiker und Wirtschaftsmagnaten, machen auch ohne Not kurzen Prozess mit Heckler und allen seinen so wichtigen Publikationen. Von den Auflagen des Stern sind Sie Lichtjahre entfernt. Und solange Sie nicht nach Davos eingeladen werden, machen Sie sich besser keine Gedanken über Ihre Bedeutung.«
    Hatte Heckler erwartet, Henry klein und zerknirscht vor sich zu sehen, so hatte er sich getäuscht. Henry wusste zwar noch nicht, wie, aber er war sich sicher, dass er die Pläne des kleinen Arschlochs ihm gegenüber durchkreuzen konnte. Hecklers Forderung, den Mörder zu finden, würde ihm mehr Bewegungsfreiheit geben, als dem Verlagschef lieb sein würde.
    »Ich nehme Ihr Angebot an, unter der Bedingung, dass ich freie Hand habe und von Ihnen genau über den Ermittlungsstand der Polizei informiert werde. Ich gehe davon aus, dass Sie einverstanden sind. So   …« Henry stand auf, bevor der Verlagschef widersprechen konnte. »Ich habe von jetzt an eine wichtige Aufgabe zu erledigen, Sie werden mich entschuldigen. Wir sehen uns dann heute Abend bei ›Fidelio‹. Passen Sie auf, dass   …«
    Er nickte Heckler zu und öffnete die Tür zum Flur. Draußen stand Koch und redete auf einen langen und dürren Mann ein, der nicht zu den Juroren gehörte. Zu einem schlabbrigen Anzug in einer Farbe zwischen Hellgrau und Beige oder Braun trug der Mann ein graues Hemd und eine graue Krawatte. Die Geheimratsecken machten ihn älter und verliehen ihm die philosophische Aura eines Unantastbaren. Eine kleine junge Frau neben ihm schaute Henry mit großen Augen an. Sie wirkte auf ihn, als sei sie von dem Gesagten angewidert, oder davon, dass sie vor der Tür hatte warten müssen. Der linke Mundwinkel war heruntergezogen, tiefer als der rechte. Ihr Gesicht war rund, was durchden Schnitt ihres aschblonden Haars betont wurde, falls man die Unfrisur einen Schnitt nennen wollte.
    »Na, fertig?« Koch hatte die Frage hochmütig gestellt, als meinte er »fertiggemacht«.
    Der arme Kerl hatte die Erfahrungen mit seinem herrschsüchtigen Vater bis heute nicht bewältigt. Es war der erste Gedanke, der Henry zur Erklärung von Kochs Verhalten in den Sinn kam. In diese Kerbe schlug er.
    »O ja, Ihr Chef und ich sind uns in allem einig, nur noch nicht über Ihre Rolle, Herr Koch.« Mit diesen Worten ließ er die drei vor der offenen Tür stehen.
     
    Weshalb er Opern hasste? Weil ihm jede melodramatische Ader fehlte.

Weitere Kostenlose Bücher