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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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gewissen Kreisen sprechen sich die Dinge herum. Es können also auch Außenstehende über Ambers Kommen informiert gewesen sein. Der Mörder von Amber ist auf jeden Fall unter den Juroren zu finden. Das Ding war geplant. Willst du noch ein Bier?«
    Während er zum Kühlschrank ging, ließ er auf dem Display der Kamera die Bilder passieren. Henry setzte ihm derweil seine Überlegungen weiter auseinander. »Der Mörder sah es als perfekte Gelegenheit, die Zahl der Verdächtigen ins Unendliche auszuweiten. Hundertvierzig Juroren sind hundertvierzig Verdächtige, alle so international aufgestellt wie Amber, alles Weinexperten, und jeder kannte ihn persönlich oder indirekt.«
    »Alle mit im selben Boot, beziehungsweise Hotel, da war ja ›Tod auf dem Nil‹ ein Pappenstiel dagegen«, bemerkte Frank zynisch.
    »Du redest, als wäre das hier nichts anderes.«
    »Dich berührt der Mord auch nicht sonderlich. Heutzutage ist alles Film, ist alles Inszenierung. Amber war so weit weg von uns, dass es einem nicht nahegeht. Promis sind nicht sie selbst, sie spielen sich nur. Die Bilder sind mächtiger als die Wirklichkeit selbst. Das ist nicht von mir, das ist von Baudrillard. Amber war seine Punkte. Es wurden Punkte ermordet.«
    Henry war anderer Meinung, mit seinem Beruf und seiner wenn auch geringeren Bekanntheit stand er Amber näher als Frank.
    Doch der folgte weiter seiner rein pragmatischen Sichtweise. »Jeder hier, bis auf dich und mich und Antonia, könnte was gegen ihn haben. Die Rosenattacke geschah aus Rachsucht und Eifersucht, aber umgebracht zu werden bedeutet, jemandem im Wege zu stehen, zu viel zu wissen. Jemand will an sein Geld, will seine Position einnehmen   …«
    »Hast du das verdammte Foto endlich?« Henry wurde ungeduldig. Es klopfte, und Antonia Vanzetti stürmte atemlos ins Zimmer und überhäufte ihren Mann mit einem Schwall von Worten. Der schaute auf die Uhr und legte die Kamera zurück in den Koffer.
    »Tut mir leid. Morgen, morgen kriegst du die Bilder. Wir haben die Zeit vergessen, unten steht bereits ein Shuttle, die Namen werden abgehakt, es könnte eine polizeiliche Anordnung sein. Wir müssen uns für die Kontrolle vor der Oper was einfallen lassen.«
     
    Henry zog sich in aller Eile um. Er hatte doch tatsächlich die Eintrittskarte wieder eingesteckt. Um den beiden den Spaß nicht zu verderben, hastete er zum Bus. Vor ihm stieg der Holländer van Buyten grußlos ein, er war ihm von allen Juroren am Tisch als Einziger unsympathisch. Er war engstirnig, starr in seinem Urteil, das er mit dem Hauch des Absoluten versah, Widerspruch nahm er als persönliche Beleidigung. Das einzig Witzige an ihm war sein holländischer Akzent.
    »Welcher Idiot schickt so einen miserablen Wein zur Bewertung? Den würde ich nicht einmal in meinem Billig-Sortiment führen.«
    Dieses Urteil stand ihm nicht an, denn gleichzeitig schielte er auf die Bewertungen seiner Nachbarn. Henry hätte im Gegenzug fragen können, wer einen derartigen Idioten zur Challenge eingeladen hatte. Ihm stand der Sinn weder nach Konversation noch hatte er Lust, diplomatisch zu sein, und er war froh, als van Buyten sich im Bus weit weg auf denfreien Platz neben einem Mann setzte, der Henry leider nur zu gut bekannt war. Mendoza!
    Wo immer sie sich in Spanien begegneten, gingen sie sich sofort aus dem Weg, um sich nicht an die Gurgel zu gehen. Mendoza wusste um Isabellas politisches Engagement und hatte sie die »bekannteste Leichenschänderin La Riojas« genannt. Der Beleidigungsprozess war längst nicht entschieden. Von Isabella wusste er, dass Mendoza mit Pedro Varela in Verbindung stand, einem bekannten rechtsradikalen Verleger mit der Ansicht, dass Konzentrationslager eine Erfin dung der Alliierten waren und auch nicht Millionen Juden ermordet worden waren. Und als er jüngst wieder als Märtyrer seiner Bewegung eine Gefängnisstrafe abzusitzen hatte, entblödete sich der päpstliche Nuntius in Spanien nicht, ihm zu schreiben, dass »der Heilige Vater ihn in seine Gebete einschließen« würde. Die Zusammenarbeit der Rechten und der Klerikalen war bedeutend älter als ihre Allianz in General Francos Bürgerkrieg   – und noch immer schwebte der Geist des Generals über den kastilischen Ebenen und Gebirgen. Mendoza trug dazu bei, dass es so blieb. Und wenn die beiden Männer hinter ihm vertraulich tuschelten, gehörte van Buyten sicherlich zu den Gesinnungsgenossen. Henry sollte beide weiter beobachten. Als er über das Wie nachdachte,

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