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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Diese Kunstform ließ ihn schaudern, der Gesang war ihm so unangenehm wie anderen das Kratzen mit den Fingernägeln über Stoff, das Scharren einer Schaufel über Beton oder der Bohrer des Zahnarztes. Er hielt es für übertrieben, wenn ein Bariton mit dem Schwert in der Brust eine Arie schmetterte oder wenn Fidelio im Kerker schmorte und dabei aus vollem Halse sang. Genauso schlimm empfand er Schubertlieder, bei Interpreten wie Rudolf Schock war der Nachname Programm gewesen, und drei Tenöre waren auch nicht besser als einer.
    Er blieb lieber beim »Forever Young« von Rapper Bushido und Karel Gott, ein grandioser Zusammenschnitt der so gegensätzlichen Interpreten und der Verbindung beider Kunstformen. Es war schmerzhaft und schön wie das Zerreißen der Mona Lisa. Ansonsten liebte er die klassische Musik, Madrigale trafen sein Innerstes so wie mittelalterliche Chormusik. So war es ihm eine Freude, Frank Gatow die Eintrittskarte abzutreten. Der liebte Opern und konnte seine Frau begleiten. Beide würden einen schönen Abend zusammen verbringen.
    Als Henry Gatows Hotelzimmer aufsuchte, um ihm die Karte zu geben, holte der Fotograf zwei Flaschen Bier aus der Minibar.
    »Ein Pils muss für euch Berufstrinker nach dem Wein die wahre Erholung sein«, meinte er, und sie stießen mit den Flaschen an.
    »Wo ist deine Frau?«, fragte Henry. »Es wird Zeit, sich in Schale zu schmeißen. Ein Opernabend verlangt ausgefeilte Vorbereitungen, insbesondere für Damen: ein Bad nehmen, Haare föhnen, Fingernägel lackieren, die Klamotten aussuchen, in letzter Sekunde noch was bügeln, was dann kein Schwein bemerkt   …«
    »Antonia ist praktisch veranlagt. Sie kommt vom Land, die Stadt und ihre Neurosen hatten sie nie in der Mangel. Sie streift lieber durch die Weinberge als durch Florentiner Boutiquen. Sie musste vorhin an die frische Luft, mit ihren Italienern. Mir reden ihre Begleiter zu viel, die beratschlagen, ob sie heute Abend sogar ihr Pausenbrot und den Wein mit in die Oper nehmen, wie letztes Jahr in Verona. Dort haben wir uns während der Vinitaly, wo sie ihre Weine auf der Messe präsentiert hat, in der Arena ›Aida‹ angeschaut. Großartig, ein Vergnügen, bei bestem Wetter unter einem traumhaften Sternenhimmel. Es sind sogar Besucher eigens deshalb hingeflogen.«
    »Der Wahnsinn hat Methode. Ich erinnere mich an eine ›Aida‹-Aufführung vor den Pyramiden, da kostete die Eintrittskarte fünftausend Euro. Sternenhimmel ist gut, Pausenbrot und Wein auch, der Rest ist geschenkt. Ich brauche übrigens die Fotos aus dem Casino von letzter Nacht, und zwar die Aufnahmen von Amber, als er die Jetons zugesteckt bekam. Du hattest eine kleine Kamera in der Hand, als er den zweiten Wein bekam. Hast du davon Fotos? Mich interessiert, wer neben oder hinter ihm stand, wer ihm die Jetons zusteckte, wer den Wein brachte. Hat man ihn vergiftet?«
    »Keine Ahnung, wie er umgekommen ist. Die Polizei macht ein Geheimnis draus. Die neuen Bilder muss ich mir erst ansehen. Ich kann sie dann auf den Rechner übertragen.Darf ich wissen, wozu? Bei deinem grimmigen Gesicht kann es nur mit dem Mord zusammenhängen. Als ich ins Hotel kam, hat mich die Kripo sofort gegriffen und in einen separaten Raum gebracht, da saßen schon vier oder fünf Hotelgäste. Wir sind alle verhört worden, ein Massenverhör, fünf Beamte in einer Reihe vor viereckigen Tischen und davor saßen wir. Das hat mich an Kafkas ›Schloss‹ erinnert und Orwells ›1984‹. Die Situation war grotesk und unheimlich, ich kam mir ausgeliefert vor.«
    »Wir können uns auch nicht wehren   – wenn wir uns nicht verdächtig machen wollen. Man muss kooperieren.«
    »Es ist doch viel wichtiger, ob man verdächtig ist   – und das sind erst einmal alle im Hotel.«
    »Was wollten sie wissen?« Henry war nach der Erpressung, anders konnte er das Gespräch mit Heckler nicht bezeichnen, an allem interessiert, auch an den Verhörmethoden und dem Inhalt der Befragung.
    »Ich habe einen Satz, der mich in schwierigen Situationen leitet«, meinte Frank. »Wer fragt, der führt! Ich habe versucht, mich beim Verhör daran zu halten, aber der Kommissar, der die Ermittlung leitet, so ein langes Elend, bei dem du darauf wartest, dass er jeden Moment durchbricht, hat sich nicht darauf eingelassen. Er ist ein Schlaumeier.«
    »Geheimratsecken und ein Anzug von undefinierbarer Farbe?«
    »Hat er dich auch schon drangekriegt?«
    »Nein, ich hatte eine widerliche Unterredung mit unserem

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