Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
viele sogenannte Brennpunkte, ich habe Medienwissenschaft und Germanistik studiert, etwas Philosophie, Soziologie und Botanik, weil es mich interessiert hat. Pflanzen finde ich faszinierend   …«
    »Sie schweifen ab. Wie war Ihre Einstellung zu Amber?«
    »Meine Güte, sie war so wie die der meisten hier. Man nahm ihn wahr, las vielleicht mal die eine oder andere seiner Weinbeschreibungen, besonders die über spanische Weine, weil das mein Thema ist, ich stolperte über seine Punkte.«
    »Sie leben in Spanien?«
    »Ist daran was auszusetzen? Mir gefällt es dort besser, die Menschen sind zugänglicher und höflicher als Sie!«
    Erschrocken über den sehr persönlichen Angriff schreckte sie auf. »Haben sich Ihre Wein   … wie nennt man das   – Weinbeschreibungen mit denen von Amber gedeckt?«
    »Wollen Sie darauf hinaus, dass wir Feinde waren? Wir haben anders gearbeitet, unsere Kreise haben sich nichtüberschnitten. Ich sehe mir einzelne Bodegas an und bewerte die Dinge, die ich positiv finde. Amber schrieb für die oberen Zehntausend, über Weine, die sich die Mehrheit nicht leisten kann. Meine Klientel sind Weinhändler, seine Klientel waren Weinenthusiasten, verwöhnte Reiche, Banker, Industrielle, die Russenmafia und Angeber und Weinhändler, die mit seinen Punkten werben. Da fiel auch mal ein Neunzig-Punkte-Wein für den kleinen Geldbeutel ab. Er hatte einen festgelegten Geschmack: fett, schwer, opulent, marmeladig und im Barrique ausgebaut. Er wusste im Test immer, welchen Wein er vor sich hatte. Die Bordelaiser Winzer haben ihn benutzt, um durch ihn ihre Preise in die Höhe zu treiben, das ist unseriös. Ich teste erst verdeckt, dann offen. Ich werde mich nicht selbst betrügen.«
    »Meinen Sie, dass er es getan hat?«
    »Wenn Sie mir das so in den Mund legen, dann ja und nein. Er wusste, was er tat. Das Attentat am Vorabend ist für mich auch ein Beweis.«
    »Das Attentat? Was wissen Sie darüber?«
    »Ah, jetzt kommen wir der Sache schon näher, Frau   …?«
    »Melzer-Bönningstedt.«
    Henrys Blick fiel auf ihre rechte Hand, um zu sehen, ob dort der Ring war, den ihr ein Herr Bönningstedt oder Herr Melzer angesteckt hatte. Ob die beiden miteinander glücklich waren oder nur ihr Leben miteinander organisierten?
    »Inzwischen habe ich erfahren, dass der Rosenkavalier mehr als ein gehörnter Ehemann war. Amber war bei ihm zu Gast, um ihn auszuspionieren, und hat bei der Gelegenheit mit seiner Frau geschlafen.«
    »Frauen können tun und lassen, was sie wollen.«
    »Da bin ich durchaus Ihrer Meinung, aber es zeigt Ambers Stil- und Respektlosigkeit, die Missachtung des Gastrechts. Eins auf die Fresse ist eigentlich die passende Antwort. Das würde ich unter ›gute weinbauliche Praxis‹ abhaken, wie wir das nennen.«
    Mit dem Begriff konnte sie nichts anfangen. »Wollen Sie zum Faustrecht zurück? Sie sind Amber nie begegnet?«
    »Ich hatte erst vorgestern das Vergnügen«, sagte Henry und erzählte von dem geplanten Interview. »Seine Sekretärin wird das bestätigen. Aber sie liegt mit einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus. Hat sie ihn gefunden?«
    Frau Melzer-Bönningstedt wich seinem Blick aus, damit war Henry klar, dass er mit seiner Vermutung richtiglag, und als sie sich nach seinen Erfahrungen mit Schusswaffen erkundigte, war klar, dass Amber erschossen worden war. Hätte sie nicht sonst nach seinen Fähigkeiten als Messerwerfer oder Giftmischer gefragt?
    »Der Hotelchef hat sich für den Stromausfall entschuldigt. Kann man davon ausgehen, dass zu dieser Zeit der Mord geschah?« Henry bemerkte, dass sie sich empören wollte. »Sie werden mir doch die Schlussfolgerung nicht verbieten? Die exakte Zeit des Stromausfalls habe ich von einem Zimmermädchen erfahren, aber ich werde Ihnen auch unter Folter nicht sagen, welches. Noch haben sie das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten nicht abgeschafft. Aber nach Notstandsgesetzen, Rasterfahndung und Vorratsdatenspeicherung werdet ihr das auch noch hinbiegen.«
    »Sind Sie Kommunist?«
    »Nein, viel schlimmer, ich bin Anarchist!« Henry machte sich einen Spaß daraus, sich so zu nennen, denn kaum jemand außerhalb Spaniens wusste das zu werten. »Anarchisten sind alle, die in Barcelona leben. Mein Großvater kam als politisch Verfolgter von Spanien nach Deutschland, und der Enkel geht wieder weg, aber an   … Personen wie Ihnen geht das ja sonstwo vorbei.«
    »Ich bin hier, um einen Mord aufzuklären   …«
    »Dann tun Sie Ihre Arbeit. Wir

Weitere Kostenlose Bücher