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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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rümpfte die Nase.
    »Was wollen Sie hören? Was für ein großartiger Mensch Alan Amber gewesen ist? Hier fließen nirgends Tränen, ich jedenfalls habe keine gesehen. Man beklagt höchstens den Verlust des ›Marketinginstruments Amber‹, drückt gekünsteltes Entsetzen aus, und sein Tod vermiest die Stimmung. Aber unsere Show geht weiter. Außerdem, wenn ich mir das Verhör oder die Befragung durch Ihre Mitarbeiterin vor Augen führe, dann sind Sie kaum an weitreichenden Schlussfolgerungen interessiert.«
    »Was wissen Sie von der Arbeit der Polizei?«
    »Oh, einiges, was man von Journalisten erwarten sollte. Wir ermitteln auch   – aber mit anderer Zielsetzung. Was ist mit Spuren? Gibt es da etwas mehr Futter für die Presse? Ich gehöre schließlich zu dem Verein. Haben Sie eine aktuelle Pressemitteilung bei sich?«
    »Geduld, Herr Meyenbeeker. Wir halten gleich eine Pressekonferenz ab, gleich nachdem ich mit Ihnen fertig bin.«
    Kommissar Neureuther hatte Henry mit diesen Worten die Entscheidung über die Zusammenarbeit abgenommen. Er würde ihm nichts sagen, er würde nicht mit Leuten kooperieren, die »mit ihm fertig werden« wollten. Aber er musste ihm einige Brocken hinwerfen. Wenn Neureuther daran kaute, hätte er selbst mehr Zeit für seine Ermittlungen.
    »Sie glauben, dass jemand aus Ihrer Mitte der Mörder sein könnte, das sagte meine Kollegin. Was veranlasst Sie zu dieser Überlegung?«
    »Sie war falsch«, sagte Henry, »Sie haben mich eben eines Besseren belehrt. Ein Schuss, bei Nacht! Sicher sind keinerlei Spuren vorhanden, oder Sie haben sie noch nicht gefunden, niemand hat was gehört, geschweige denn gesehen, es gibt keine Zeugen, der Mord wurde ausgeführt, als der Strom ausgefallen war, damit waren sämtliche Kameras im Hotel ausgeschaltet, und nirgends brannte Licht. Ist das richtig?«
    »Sie reden, als wären Sie dabei gewesen«, meinte der Kommissar lauernd.
    »Drei Etagen tiefer, in meiner Tiefschlafphase.«
    »Es gibt eine Notbeleuchtung.«
    »Auch im Schlaf?«
    »Sie haben meiner Kollegin auf äußerst grobe Art zu verstehen gegeben   …«
    »Ich habe mich entschuldigt.«
    »…   dass Sie den Täter unter den Juroren vermuten, zumindest unter all denen, die lange im Voraus von diesem Event wussten   …«
    »…   und ihr Vorhaben planen konnten.«
    »Ihre Ansichten klingen plausibel.«
    »Sind sie aber nicht.« Henry war erleichtert, dass sein schroffes Verhalten der Kollegin gegenüber nicht weiter thematisiert wurde. »Eine Überprüfung aller Personen und Alibis bringt nichts. Alle haben geschlafen, und niemand kannes beweisen. Wollen Sie hundertvierzig Lebensläufe überprüfen und feststellen, wer Amber gekannt hat und wer nicht? Das dauert Monate. Wissen Sie, wie viele Legenden über das eigene Leben gestrickt werden, die später sogar der Erfinder selbst glaubt? Wenn das hier vorbei ist, sind alle Juroren längst über alle Berge. Sollen hundertvierzig Juroren zum Schmauchspur-Test antreten?«
    »Das klingt wahrlich absurd, aber uns führt das Absurde häufig zum Erfolg. Und woher der Meinungsumschwung?«
    »Sie haben mir die Argumente geliefert. Ein Schuss, wahrscheinlich sofort tödlich, das kann nur ein Profi. Ich wüsste gar nicht, wohin ich zielen müsste. Und wenn Sie sich die Teilnehmer der Challenge ansehen, wissen Sie, dass darunter kein Profikiller sein kann. Also muss es einer der anderen Gäste gewesen sein, zusammen mit jemandem, der weiß, wie man den Strom abschaltet, also jemand aus dem Hotel   …«
    »Ihre Schlussfolgerungen in Ehren, aber lassen Sie nicht die Handwerker außer Acht, die kürzlich an der Lichtanlage gearbeitet und die Stromversorgung überholt haben. Die Firma weiß, welche Mitarbeiter im Einsatz waren.«
    Für Henry war das kein Argument. »Ich würde mir einen Blaumann überziehen und gemeinsam mit den Handwerkern reingehen; da fragt weder das überlastete Hotelpersonal, was man hier will, und zu den Handwerkern sagt man ›Moin‹, das reicht   …«
    Henry stutzte. Seine eigenen, von keinerlei Fakten belegten Gedanken hatten ihn auf eine Idee gebracht, die durchaus auch für den Anschlag auf Peñasco gültig sein konnten. Er kannte die Halle mit den großen Tanks, die Zwanzigtausend-Liter-Kannen aus Edelstahl. An die kam jeder ran, der einmal auf das Firmengelände gelangt war, und wie einfach das war, hatte er selbst mal ausprobiert. Oder einer der Mitarbeiter hatte die Chlorbleichlauge kurz vor Feierabend in den Tank

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