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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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gewesen. Henry konnte sich vorstellen, dass es nach dem Säureattentat bei Peñasco morgens so gerochen hatte.
    Auch bei der Konterflasche herrschte dieser strenge Geruch von Fäulnis vor, anders als bei TBA   – Tribromanisol, ein ähnlicher Geruch, der aber mehr an Pilzbefall erinnerte. Castellani, der es zuerst bemerkt hatte, war als Einziger nicht überrascht.
    »Ich kenne das Phänomen«, sagte der Önologe. »Chlorphenole gibt es überall, und unter bestimmten Bedingungen von Feuchtigkeit und Wärme bilden Mikroorganismen das TCA aus. Es gelangt über Paletten in die Kellereien, es kannin Fässern und Deckenbalken stecken, Chlorphenole dienen als Reinigungsmittel. Aber der Winzer hätte es merken müssen. So einen Wein reicht man nicht ein.«
    »Wir werden ihn nicht bewerten«, empfahl Mrs.   Rider, »machen Sie Ihr Kreuz an die vorgesehene Stelle.« Die Diskussion über die Vorteile von Korken, Drehverschlüssen und Plastikstopfen verschob sie, bevor Tisch dreizehn sich in Glaubensfragen entzweite.
    Junge Weißweine, die in spätestens zwei Jahren zu trinken waren, hatte Sebastián Peñasco mit Schraubverschlüssen ausstatten lassen. Plastikkorken hatte er nie verwendet. Weine mit einem Alterungspotenzial waren mit Naturkorken ausgestattet, für die Jungen waren Agglomeratkorken vorgesehen, winzige verleimte Korkteilchen. Denn Kork war elastischer als Kunststoff und passte sich eher den winzigen Unebenheiten im Flaschenhals an. Hier konnte ein Leimton auftauchen. Bei Rotwein hatte es nie eine Debatte gegeben, Sebastián hielt Naturkork für unersetzlich.
    Paolo Castellani war der Ansicht, dass die Weine unter Schraubverschlüssen langsam ihr Leben aufgaben, sie veränderten sich nicht, sie blieben fertig oder unfertig, je nachdem, wie sie abgefüllt worden waren. Mrs.   Rider schloss sich dieser Meinung an und berichtete von Handelsketten in Großbritannien, die inzwischen sogar nur noch Kork von geschützten Eichenwäldern für ihre Abfüllungen verlangten, denn bei der Herstellung eines Schraubverschlusses entstand fünfundzwanzigmal mehr CO2 als bei der Produktion von Korken, die Eichen banden große Mengen dieses Gases, was man von Schraubverschlussfabriken nicht sagen konnte. Und die Landbevölkerung behielt ihre Arbeit. »Das sind wir den Portugiesen schuldig.«
    Es war klar, dass van Buyten als Importeur widersprach. Er handelte mit Massenprodukten. »Der Kunde will es einfach haben   – Knack   – und offen ist die Pulle. Der moderne Weintrinker will nicht mit einem unpraktischen Korkenzieherhantieren und sich die Finger abbrechen und die Arme ausrenken. Besonders Frauen schätzen solche Verschlüsse.«
    Wie schön, dass er wenigstens ein Herz für Frauen hatte, dachte Henry, aber er verkniff sich, das laut zu äußern. Van Buyten stand letztlich mit seiner Meinung allein, denn Frau Stöckli berichtete aus der Schweiz, dass die dortigen Winzer nach vielen Experimenten jetzt beim Rotwein wieder generell zum Kork zurückkehrten, auch weil er recycelt werden konnte. Und in den USA, wo der Kunststoffkorken erfunden worden war, liebte man ihn überhaupt nicht.
    Als sie den nächsten Flight angingen, hörte man abwechselnd das Knacken des aufgedrehten Verschlusses oder das Plopp des gezogenen Korkens, und dieser Akt des Korkenziehens, beinahe zeremoniell praktiziert, ließ Tisch dreizehn lächeln, und versöhnlich wollte Castellani van Buyten auf die Schulter klopfen, aber der wich aus. Er wollte nicht verbindlich sein.
     
    »Wo waren Sie in der Nacht des Mordes?« Das fragte ihn nicht der leitende Kommissar, sondern seine kleine Assistentin. Es war exakt das eingetreten, was Henry befürchtet hatte.
    Er saß in einer Reihe mit vier anderen Juroren mit dem Gesicht zur Wand an einem kleinen, viereckigen Tisch und starrte auf die Hände der Frau und beobachtete, wie sie in ihr Laptop tippte. Sie war nicht unsympathisch, aber sie war stur. Sie fragte ab, statt über das Gesagte nachzudenken und daraus weitere Fragen abzuleiten. Jeden Ansatz von Henry, Schlüsse zu ziehen oder etwas zu folgern, erstickte sie, ob auf Anweisung ihrer Vorgesetzten oder aus Engstirnigkeit   – das blieb ihr Geheimnis. Im ersten Fall hätte er noch eine Chance. Er brauchte die Polizei, um mehr zu erfahren und seinerseits Schlüsse zu ziehen, um Heckler zumindest Material anbieten zu können und sich den Rücken freizuhalten, bis er gegen Heckler etwas in Händen hielt.
    »Wo ich in der Nacht war? Wer sagt, dass er in der

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