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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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sind hier zu einer internationalen Weinprobe versammelt.« Henry war wütend, er hielt die Frau für ignorant, für jemanden, der seinen Jobmachte, aber nicht im Mindesten am Fall interessiert war. »Wir bewerten. Dann werden Sie uns allen hier auch gestatten«, Henry holte mit dem Arm aus, »dass wir uns darüber Gedanken machen, wie das eine oder andere zu bewerten ist, auch wenn es nicht um Wein geht.«
    Er sah ihr an, dass sie mit sich kämpfte, sie wusste nicht recht, ob er respektlos war, ihre Autorität missachtete und wie sie darauf reagieren sollte. »Beschweren Sie sich bei Ihrem Chef über mich, lassen Sie mich abholen und erschießen. Aber machen Sie Ihre Arbeit richtig, lassen Sie sich helfen, gehen Sie doch mal davon aus, dass neunundneunzig Prozent aller hier Versammelten an der Aufklärung interessiert sind   – oder? Wollen Sie hundertvierzig Juroren überprüfen, wie ihr Verhältnis zu Amber war? Dazu brauchen Sie wieder neue Zeugen, der Kreis der Verdächtigen wird damit größer statt enger. Und in zwei Tagen reisen wir alle ab. Amber ist der Schlüssel, er selbst, sein Lebensweg, seine Kontakte und Beziehungen. Wann wollen Sie uns eigentlich sagen, wie er umgekommen ist? Vielleicht weiß jemand von uns mehr? Wie sollen wir antworten, wenn Sie die falschen Fragen stellen   – wie in jedem Fernsehkrimi? Darf ich jetzt gehen? Ich sterbe vor Hunger, dann hätten Sie noch einen Toten.«
    Henry stand auf, wollte gehen, plötzlich tat ihm sein Ausbruch leid, nicht der Polizistin gegenüber, aber der Frau.
    Er hielt ihr die ausgestreckte Hand hin. »Entschuldigung.«
     
    Sie waren mit dem letzten Flight fast durch, ein grandioser Wein nach dem anderen war ihnen von Natalie eingeschenkt worden, mindestens fünf Jahre alte Franzosen von der Rhône und aus dem Gard, wie Henry vermutete, es waren zwei von der Ribera del Duero dabei und zwei Shiraz aus Australien.
    Castellani stieß Henry an, der auf dem Verkostungsblattseine Punkte verteilte, der letzte Wein hätte sogar zwei Goldmedaillen verdient, dabei durften nur dreißig Prozent aller viertausend hier aufgefahrenen Weine prämiert werden. »He, da will jemand was von dir.«
    Als Henry aufblickte, sah er, dass Koch ihm über die Schulter auf den Verkostungsbogen starrte. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
    »Worum geht’s«, fragte Henry unwillig. Die letzten vier Weine wollte er rasch hinter sich bringen und dann unbedingt eine Stunde schlafen, er war zum Umfallen müde. Aber Kochs Anwesenheit versprach Ärger.
    »Kommissar Neureuther will Sie sprechen. Er ist in Zimmer 711, auf derselben Etage wie Herr Heckler, Sie sollen sofort nach der Probe zu ihm kommen!«
    »Um mir das zu sagen, kommen Sie extra her?«
    Was führte Koch wirklich im Schilde? Henry sah ihm nach, wie er durch die Tischreihen zum Ausgang trottete, nicht böse wie sonst, sondern mürrisch und niedergeschlagen. War er in Ungnade gefallen   – wenn er denn je in Gnade gewesen war? Als Henry sich wieder dem Wein zuwandte und nach dem Glas griff, sah er den zusammengefalteten Zettel. Als die Tischgenossen der Vorsitzenden ihre Verkostungsbögen zur Kontrolle reichten, glitt das Briefchen in seine Hand und unter den Tisch.
    »18   Uhr   – hinter der Trinkhalle! Sehr wichtig! K.«
    Stand das K. für Koch oder für Kettenhund?
     
    Die Suite, in der ein elend langer Kommissar Neureuther ihn empfing, lag direkt neben dem Zimmer, in dem Amber ermordet worden war. Henry hatte das Gefühl, der Lösung des Falls und auch dem Mörder näher zu kommen. Jetzt aber näherte er sich erst einmal Neureuther. Er sah aus, als würde er sich Sorgen machen, um den Zustand der Welt, den Niedergang des Abendlandes und um die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien. Er war eindeutig überarbeitet,seine blauen Augen wirkten müde, das Gesicht verkniffen, nervös bewegte er die Lippen. Eine Rasur hätte seine Erscheinung gehoben.
    »Meine Mitarbeiterin hat sich über Sie beschwert. Und da Sie es sowieso gleich erfahren   – wir geben in Kürze die Erklärung an die Presse hinsichtlich des Tathergangs   …«

12
Der Zorn Gottes
    »Er wurde erschossen, aus kürzester Entfernung, wahrscheinlich im Schlaf. Es wurde nur ein Schuss abgegeben.«
    Profis! Dieser Gedanke ergriff sofort von Henry Besitz. »So gehen nur Profis vor. Ein Schuss   – und der war tödlich, sagen Sie?«
    »Ist das Ihr einziger Kommentar? So abgebrüht sind Sie? Aber was soll man von Journalisten anderes erwarten.« Der Kommissar

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