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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht?«
    Mahler betrachtete ihn kritisch durch den Rauch. Van Veeteren erwiderte nichts.
    »Du lügst. Und das weißt du auch!«
    Van Veeteren drehte das Schachbrett so, dass die weißen Figuren auf Mahlers Seite zu stehen kamen.
    »Ja, stimmt, ich lüge. Ich habe natürlich vor, nach Kaalbringen zu fahren. In den nächsten Tagen. Bitte schön, der Poet ist am Zuge.«
    »Das habe ich mir doch gedacht«, sagte Mahler und schob seine Brille zurecht. »Aber jetzt halt den Mund, du störst meine Konzentration.«

30
    Ulrike war skeptisch.
    »Ich kann ja verstehen, dass du dich da engagierst«, sagte sie. »Natürlich kann ich das. Aber ich kann nicht verstehen, was du mit deiner Fahrt dorthin zu gewinnen glaubst.«
    Sie hatten ein vereinfachtes Bœuf bourguignon gegessen, einen 97er Barolo dazu getrunken, und er hatte ihr von beiden Fällen erzählt. Sowohl von G. als auch von dem Axtmörder in Kaalbringen. Einen Teil kannte sie schon von früher, aber von seinen Zusammenstößen mit G. in seinen frühen Jahren hatte sie noch nichts gewusst.
    Bis jetzt. Es war schön, es erzählen zu können, wie er merkte. Erstaunt stellte er fest, dass es überhaupt das erste Mal war, dass er jemandem von Adam Bronstein berichtete.
    Das ist doch nicht gescheit, dachte er. Warum läuft man herum und kapselt sein ganzes Leben lang solche wunden Punkte in sich ein? Warum redet man nicht darüber? Das ist doch verdammt noch mal mehr als fünfzig Jahre her!
    Und dann wunderte er sich über dieses »man«. War das ein Euphemismus für »ich« oder für »Mann«? Wobei das eine das andere natürlich nicht ausschloss, aber vielleicht gab es so eine Art Übergewicht? Ulrike hatte – in ihrer Eigenschaft als Frau und denkendes Wesen, wie sie behauptete – Probleme, den Witz an dieser Art von bösartiger Verdrängung zu begreifen, und fragte ihn, ob er noch weitere Leichen im Schrank seiner Seele habe.
    »Einen ganzen Friedhof«, versicherte er ihr. »Aber die Fahrt nach Kaalbringen bedeutet, sie in Angriff zu nehmen. Zumindest eine.«
    Was sie, wie gesagt, nicht so ohne Gegenwehr schluckte.
    »Ich glaube, deine Gründe sind viel banaler«, erklärte sie mit einem plötzlichen Lächeln.
    »Ach ja?«
    »Du willst nur diesen Bausen wiedersehen, da drückt der Schuh.«
    »Ich würde doch niemals…«
    »Ein paar Abende lang Schach spielen und Wein trinken. Gib es zu, du primitiver Motivfälscher, du bildest dir doch selbst nicht ein, dass du da oben Verlangen finden wirst.«
    »Darauf möchte ich lieber nicht antworten«, antwortete Van Veeteren.
    Als er im Auto saß und durch die sonnenbeschienene, flache Landschaft fuhr, dachte er über ihre Argumente und Einwände nach. Musste zugeben, dass er sie selbst nicht besser hätte formulieren können. Bildete er sich wirklich ein, dass er dort etwas würde ausrichten können?
    Stellte er sich vor, dass herauszufinden sein würde, was mit diesem alkoholisierten ehemaligen Privatdetektiv passiert war? Mit diesem ehemaligen betrügerischen Polizisten. Glaubte er denn im Ernst, dass Verlangen sich wirklich in Kaalbringen befand oder befunden hatte?
    War diese Reise nicht eher eine Art… symbolischer Handlung? Eine verwässerte Geste?
    Kaalbringen. Diese verschlafene kleine Küstenstadt, in der er selbst vor zehn, nein vor neun Jahren eineinhalb Spätsommermonate gemeinsam mit Münster verbracht hatte, während sie einen der sonderbarsten Fälle aufklärten, auf die er in all seinen Jahren als Kriminalkommissar gestoßen war.
    Gab es tatsächlich eine reale Möglichkeit? Dass Verlangen sich ausgerechnet dorthin begeben hatte?
    War es nicht, ehrlich gesagt, genau so, wie Ulrike vermute-te – dass er sich danach sehnte, Bausen wiederzusehen? Ihm in dessen verwildertem Garten am Schachbrett gegenüberzusitzen, bei einem alten, gut gelagerten Wein über dies und das zu theoretisieren und eine Stimmung und eine Art von Zusammengehörigkeitsgefühl wiederzubeleben, das er nicht näher präzisieren oder in Worte fassen konnte?
    Dass es aber nichtsdestotrotz gegeben hatte. Und zwar in höchstem Maße. Man muss doch wohl verflucht noch mal nicht alles in Worte fassen, oder?
    Er schaute über die wogenden Felder und merkte plötzlich, dass er mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Unruhe oder Erwartung? Schwer zu sagen. Und schwer, die Motive und privaten Beweggründe aufzudecken, wie immer. Aber das Zusammentreffen war schon merkwürdig, das konnte nicht geleugnet werden.

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