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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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durch die Tür war und hörte, wie Hiller etwas Freundliches zu seinen Akazien sagte. Müsste es nicht bald an der Zeit sein, dass er pensioniert wird?
    Mahler hatte die Steine aufgestellt und kritzelte in einem schwarzen Notizbuch, als Van Veeteren am Samstagabend an den üblichen Tisch im Vereinslokal trat.
    »Neue Gedichte?«, fragte er.
    »Neu ist ein großes Wort«, sagte Mahler. »Gedichte ist ein großes Wort. Moderne Abstraktionen rund um das schwarze Loch eher. Ungereimt.«
    »Klingt lustig«, sagte Van Veeteren.
    »Ich weiß. Ich glaube, ich werde sie auch genau so nennen. Was hältst du davon?«
    »Moderne Abstraktionen rund um das schwarze Loch?«
    »Ja.«
    »Erinnert eher an eine Warendeklaration als an einen Buchtitel.«
    Mahler kratzte sich nachdenklich am Bart.
    »Kann sein. Na ja, ich muss das sowieso erst mit Inhalt füllen, bevor der Titel dran ist. Das wird übrigens meine zwölfte Sammlung, und ich denke, damit wird es genug sein.«
    »Deine zwölfte? Herzlichen Glückwunsch. Das Dutzend voll in .. wie lange bist du schon dabei?«
    »Es sind vierzig Jahre her seit meinem Debüt. Ich habe ausgerechnet, dass es über den ganzen Zeitraum verteilt gut zwei Worte pro Tag waren.«
    »Zwei Worte pro Tag?«, sagte Van Veeteren. »Das kann ja so schwierig nicht sein.«
    »Von wegen«, widersprach Mahler. »Das ist der schwierigste Job der Welt. Du vergisst, dass diese Wortteufelchen sich jeweils unter fünfundzwanzigtausend anderen verstecken. Und bei jedem Neuen musst du mit der Suche von vorn anfangen.«
    Van Veeteren winkte nach zwei Bieren und überlegte.
    »Entschuldige«, sagte er. »Du hast natürlich Recht, ich bin nur ein wenig übermütig geworden. Spielen wir eine Partie?«
    »Du bist dran mit Weiß«, sagte Mahler und zündete seine Zigarre an.
    »Das war mangelnde Konzentration. Du hättest den Läufer auf g6 durchschauen müssen. Grübelst du über irgendetwas?«
    Van Veeteren stellte die Steine in ihre Ausgangspositionen.
    »Irgendwie schon«, gab er zu. »Da ist eine alte Geschichte, die offenbar wieder zum Leben erwacht ist.«
    Mahler leerte sein Bierglas und wischte sich den Bart ab.
    »Nichts ist schöner, als es einem endlich heimzuzahlen. Ist es ein Fall, den ich kenne?«
    Van Veeteren nahm einen der schwarzen Springer hoch und hielt ihn eine Weile abwägend in der Hand, bevor er antwortete.
    »Ich denke schon«, sagte er. »Der Fall G.«
    »Der Fall G.!«, rief Mahler aus. »Dein einziger Fleck auf der Weste, na, ich danke. Was ist denn passiert?«
    Es lag eine unverschämte Fröhlichkeit und eine unverschämte Neugier in dem Tonfall des alten Dichters, wie Van Veeteren fand. Aber das war vielleicht nichts, über das man sich aufregen sollte. Oder weswegen man sich beunruhigen sollte. Wenn es jemanden gab – abgesehen von Ulrike natürlich –, dem er seinen Wankelmut anvertrauen konnte, dann war das Mahler. Das hatte er durch die Jahre hindurch gelernt. Was die Verschwiegenheit betraf, so war es, als spräche er in einen Brunnen. In einen außergewöhnlich begabten Brunnen außerdem, bei dem Worte und Geständnisse zu Boden sanken und dort für ewige Zeiten in hermetisch verschlossenem Schweigen verwahrt wurden.
    Und von wo aus später ein oder zwei Worte –äußerst sorgfältig gewählte, wie gesagt – zurückkamen.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an und begann zu erzählen.
    »Eine Suppe mit unbekannten Zutaten«, fasste Mahler zwanzig Minuten später zusammen. »Und die Polizei denkt also nicht daran einzugreifen?«
    »Nicht mehr, als die Routine es vorschreibt. Sie haben offensichtlich genug mit anderen Dingen zu tun… mit dieser verdammten Nazigeschichte beispielsweise. Ich muss sagen, ich verstehe sie auch. Der Verlangen-Faden ist dünner als dünn.«
    Mahler saß eine Weile schweigend da.
    »Der Meinung bin ich nicht«, sagte er. »Soweit ich es beurteilen kann, muss da irgendwas dran sein. Frag mich nicht, was und wie, aber es wäre doch sonderbar, wenn Verlangens Verschwinden
nichts
mit G. zu tun hätte. Oder? Nach diesem Zettel auf dem Küchentisch und diesem Telefongespräch.«
    »Ich weiß«, brummte Van Veeteren. »Ich bin noch nicht senil. Jedenfalls noch nicht ganz.«
    »Danke, gleichfalls«, gab Mahler zu und schaute finster drein. »Klar im Schädel wie ein Gebirgsbach und moralisch wie ein Dreizehnjähriger. Es wäre wahrscheinlich leichter zu leben, wenn man nicht so wäre. Was gedenkst du zu tun?«
    Van Veeteren zog nachdenklich an der Zigarette.
    »Ich

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