Sein letzter Fall - Fallet G
richtig waren, diese wunderschönen Worte aus dem Ersten Korintherbrief.
Es hatte fast ein ganzes Leben lang gedauert, aber zum Schluss hatte er es gelernt.
Lieber spät als nie. Er nahm zwei Pfefferminzpastillen, um den schlechten Geschmack des schalen Essens loszuwerden, und begann dann an Erich, seinen toten Sohn, zu denken.
Und er merkte, dass es fast nicht mehr wehtat.
Als er vor Bausens Haus in Kaalbringen parkte, hatte der Regen aufgehört, und er konnte feststellen, dass es noch genauso aussah, wie er es in Erinnerung hatte.
Praktisch vollkommen zugewachsen. Praktisch undurchdringlich. Damals wie heute war von der Straße her kein Haus zu erkennen, Büsche, Bäume, Rankgewächse und hohes Gras hatten sich zu einer dichten lebendigen Wand vereint, und er konnte sehen, dass Bausen das Haus während seiner siebenjährigen Abwesenheit nicht vermietet hatte. Es war ganz einfach noch weiter zugewachsen, und warum auch nicht?
Er trat durch die Pforte, fand die rudimentäre Wegöffnung, bückte sich und tauchte in den Dschungel ein.
Bausen saß unter dem Vordach auf der Veranda in einem Korbstuhl und las ein Buch. Auch hier sah es unverändert aus. Der Korbtisch mit den beiden Stühlen. Leere Bierkästen und Zeitungsstapel und jede Menge Gerümpel an den Wänden. Damals wie heute. Ein kaputtes Fahrrad, ein und ein halbes Ruder und etwas, was Van Veeteren vorläufig als eine zusammengerollte Yogamatte identifizierte. Das Schachbrett und die rot lackierte Schachtel mit den Spielsteinen standen ganz oben auf einem wackligen Regal voller Farbtöpfe und diversen Werkzeugs.
Bausen erblickte ihn, und sein Gesicht öffnete sich zu einem Lächeln.
»Sieh einer an«, sagte er. »Jünger und hübscher denn je.«
»Du nimmst mir die Worte aus dem Mund«, gab Van Veeteren zurück. »Alterst du rückwärts, oder wie machst du das?«
Es gab zweifellos einen Grund für die Schmeichelei. Bausen sah ganz und gar nicht wie über siebzig aus. Eher wie die Gesundheit in Person, kurz und sehnig, noch eine ganze Menge seines dünnen grauweißen Haars war erhalten, und mit einem Paar Augen in dem grob geschnittenen Gesicht, die er von einem Vierzehnjährigen gestohlen zu haben schien.
Er stand auf und schüttelte Van Veeteren die Hand.
»Yoga«, sagte er. »Das ist das halbe Geheimnis. Ich habe damit im Gefängnis angefangen und hinterher keinen Grund gesehen, damit aufzuhören. Jeden Tag fünfundvierzig Minuten, und ich bin heute gelenkiger, als ich es bei meiner Konfirmation war.«
Van Veeteren nickte.
»Und was ist die andere Hälfte?«
Bausen lachte.
»Na, was glaubst du wohl? Eine Frau natürlich… keine feste Beziehung, aber wir treffen uns ab und zu. Das ist irgendwie zu einem wichtigen Punkt in meinem Dasein geworden. Mein Gott, so alt, wie ich bin, da ist es wahrlich an der Zeit, dass man so einiges anfängt zu begreifen. Schön, dich zu sehen. Ist lange her.«
»Neun Jahre«, sagte Van Veeteren. »Tja, und nun bin ich wieder hier.«
»Auf der Jagd nach einem neuen Mörder… Ja, ich kann dir zumindest versprechen, dass es sich diesmal nicht um den gleichen wie beim letzten Mal handelt. Wie wäre es mit einem Bier und einem Brot? Ich denke, richtig essen werden wir erst später.«
»Bier und ein Brot ist genau das, was ich mir erhofft hatte«, sagte Van Veeteren. »Wir können doch draußen sitzen?«
»Aber natürlich«, stimmte Bausen zu. »Ja, ich kann mich erinnern, wie gern du das getan hast. Setz dich und genieße die Umgebung, ich springe eben rein und hole alles.«
Van Veeteren ließ sich auf einen Korbstuhl sinken und seufzte tief vor Wohlbehagen.
Dieser Dschungel, dachte er. Dieser merkwürdige Bausen.
Bausen studierte die beiden Fotos genau.
»Also um diese Herren geht es? Ja, so auf den ersten Blick kann ich nur sagen, dass ich keinen von beiden kenne. Aber mit meinem Überblick darüber, was so in der Stadt passiert, ist es nicht mehr weit her. Aus natürlichen Gründen.«
»Aus natürlichen Gründen«, wiederholte Van Veeteren. »Das kann ich mir vorstellen. Außerdem fürchte ich, dass die Bilder nicht gerade die neuesten sind… wie man so sagt. Hennan ist heute fünfzehn Jahre älter, und Verlangens Tochter hat kein besseres Foto von ihm als dieses hier gefunden. Das ist von einer Weihnachtsfeier von vor vier Jahren.«
»Sieht etwas erschöpft aus«, sagte Bausen.
»Und damit ist es bestimmt nicht besser geworden«, nickte Van Veeteren. »Wenn er überhaupt noch lebt.«
»Du zweifelst
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