Sein letzter Fall - Fallet G
namens Maarten Verlangen beherbergt hatten – oder jemanden, auf den seine Beschreibung zutreffen würde. Weder im April noch in einem anderen Monat.
Blieben noch zwei, die nicht geantwortet hatten – wahrscheinlich hatte der eine Betrieb noch gar nicht geöffnet, aber Beate Moerk versprach, dieser Frage am nächsten Tag nachzugehen. An dem sie außerdem gern mit den beiden irgendwann gegen sechs Uhr essen gehen würde.
Wo?, wollte sie wissen.
Van Veeteren beriet sich schnell mit seinem Gastgeber, und sie einigten sich auf Fisherman’s Friend. Das Beste sollte ja wohl gerade gut genug sein, und das schien so ein Wochenende dafür zu sein.
Inspektorin Moerk erklärte sich mit der Entscheidung einverstanden und wünschte den Herren noch weiterhin einen angenehmen Abend. Was sie eigentlich so trieben? Wein, Zigaretten und Schach wahrscheinlich?
Ach, Yogaübungen?
Sie wünschte schöne Träume und baldige Genesung und legte den Hörer auf. Van Veeteren merkte, dass er lächelte.
Die fünfte Partie wurde ein ziemlich kurzes Ersatzremis, und da die Uhr erst halb zwölf zeigte – und eine Flasche 91er Conde de Valdemar noch halb voll auf dem Tisch stand –, kamen sie darin überein, einen letzten Versuch hinsichtlich einer Entscheidung zu wagen.
Und so kam es, dass es schon nach zwei Uhr war, als Bausen die letzte Kerze mit einem müden Seufzen ausblies. Wieder Remis. Endergebnis: 3:3.
»So ist es nun einmal«, konstatierte Van Veeteren, als er sich im Gästebett zurechtgelegt hatte und Bausen in der Türöffnung stand und eine gute Nacht wünschte. »Wir sind ganz einfach unschlagbar.«
»Ganz meine Meinung«, nickte Bausen. »Und wenn dieser Naseweis G. sich hier in der Stadt befindet, dann werden wir den auch noch erwischen.«
»Worum wir nur beten können«, sagte Van Veeteren. »Also, wenn Inspektorin Moerk Verlangen morgen gefunden hat, dann wette ich, dass in dieser alten Geschichte ein neues Kapitel geschrieben wird, komme, was da wolle.«
Aber dem war nicht so.
»Leider«, stellte sie fest, nachdem sie sich draußen auf der Glasveranda des Fisherman’s Friend niedergelassen hatten. »Es sieht nicht so aus, als ob dieser Verlangen überhaupt in der Stadt gewesen ist, wenn man es genau besieht. Auf jeden Fall hat er in keinem der Hotels oder Pensionen übernachtet.«
»Wie genau habt ihr das überprüft?«, wollte Bausen wissen.
»So genau, wie man es nur wünschen kann«, versicherte Beate Moerk. »Aber natürlich nicht hundertprozentig. Es gibt ja beispielsweise noch die Jugendherberge und einige private Zimmervermietungen, aber nur während der Sommermonate. Und wenn er für ein paar Tage hier gewesen ist, dann kann er ja auch bei Bekannten gewohnt haben. Oder?«
»Schon möglich«, bestätigte Van Veeteren. »Aber kaum wahrscheinlich. Zum einen hat er keine Bekannten, wie seine Tochter behauptet… zumindest nicht außerhalb von Maardam. Und zum anderen hätte ein guter Freund gemeldet, dass er verschwunden ist. Aber es ist mir selbst verdammt klar, dass das hier alles nur ziemlich dünn ist. Er kann ja beispielsweise auch auf Durchreise gewesen sein.«
»Das Gespräch mit dem Enkelsohn kam vom Bahnhof, nicht wahr?«, fragte Beate Moerk.
»Ja, leider«, antwortete Van Veeteren. »Aus einer Telefonzelle. Das kann natürlich darauf hindeuten, dass er irgendwohin auf dem Weg war – oder zurück nach Maardam fahren wollte –, aber ich fürchte, darüber zu spekulieren nützt nichts.«
»Aber es schließt nicht aus, dass er hier ein paar Tage gewesen sein kann«, stellte Bausen optimistisch fest. »Und das ist doch die Hauptsache… soweit ich es verstanden habe.«
Van Veeteren nickte.
Die Hauptsache?,
überlegte er und schaute aufs Meer hinaus, das in dem frühen Dämmerlicht grau und abwartend hundert Meter unter ihnen lag. Was meint er mit
Hauptsache
?
Der Kellner kam mit der Speisekarte, und das Gespräch wurde unterbrochen. Van Veeteren blätterte vorsichtig die steifen Seiten um und erinnerte sich daran, dass das hier nicht irgendein Restaurant war. Es klammerte sich oben auf die Kalksteinklippe ein paar Kilometer östlich von Kaalbringen, wo die Küste markant aufragte, und besonders hier draußen auf der Terrasse spürte man, dass das Element Luft hier alles beherrschte. Verschiedene Möwenarten segelten im sanften Wind, und er erinnerte sich daran – oder meinte sich zumindest daran zu erinnern –, dass er mit Bausen vor neun Jahren genau an dem gleichen Tisch gesessen hatte.
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