Sein letzter Fall - Fallet G
war.
Aber dem war nicht so. Er kam im Villenviertel Rikken heraus, ohne den genauen Tatort gefunden zu haben, und ihm wurde klar, dass auch das Wiedersehen und das Wiedererkennen seinen gehörigen Anteil an Illusion und Einbildung enthielt. Was nur logisch war.
Während er versuchte, den kürzesten Weg zum Restaurant Blaue Barke zu finden, überlegte er stattdessen, inwieweit er wohl G. wiedererkennen würde, wenn er ihm zufällig Aug in Aug gegenüberstand.
Das war alles andere als sicher, so viel stand fest.
Zumindest, wenn es die Frage einer kurzen Begegnung im Menschengetümmel sein würde.
Und wenn G. sich – entgegen aller Wahrscheinlichkeit, überlegte er weiter – tatsächlich hier in Kaalbringen befand und inkognito bleiben wollte, ja, dann gab es natürlich alle Möglichkeiten der Welt für ihn, dieses Vorhaben auch erfolgreich anzusetzen.
Innerhalb von fünfzehn Jahren war jede Zelle im Körper zweimal ausgetauscht worden, wenn Van Veeteren sich noch recht an die Biologiestunden im Gymnasium vor Urzeiten erinnerte. Dann war man sozusagen verjährt.
Ein paar Minuten nach eins erreichte er die Blaue Barke mit etwas trübseligen Gedanken, und Bausen hatte sich bereits an einen Fenstertisch mit guter Aussicht gesetzt.
Ulrike hatte sicher Recht, wenn man es genau betrachtete, dachte Van Veeteren. Das hier führt doch zu nichts.
Aber es ist sehr nett, einen alten Henker wiederzutreffen. Zweifellos.
Beate Moerk begann ihre Arbeit, sobald Van Veeteren die Polizeizentrale von Kaalbringen verlassen hatte. Laut Telefonbuch gab es achtundzwanzig Hotels und Pensionen, unter denen man auswählen konnte, wenn man ein oder mehrere Nächte in der kleinen Küstenstadt übernachten wollte, aber sie wusste, dass nur ungefähr die Hälfte dieser Herbergen das ganze Jahr über geöffnet waren. Wie es sich genau in dem normalerweise ziemlich regnerischen und ungastlichen Monat April verhielt, war ihr nicht ganz klar, aber sie beschloss, nichts dem Zufall zu überlassen und alle Etablissements dem Alphabet nach durchzugehen.
Nach fünf Anrufen wechselte sie die Taktik. Beschloss, das Fax statt des Telefons zu benutzen, und eine halbe Stunde später hatte sie die Informationen an alle denkbaren Logierplätze in der Stadt gesandt, die nicht mehr im Winterschlaf lagen. Aber ohne Foto des Gesuchten. Verlangen sah in kopierter Version noch armseliger aus als in Wirklichkeit – wie ein missglückter Rorschachtest oder etwas in der Richtung –, und eingedenk Van Veeterens Einschätzung, dass er keinen Grund sähe, warum er unter falschem Namen aufgetreten sein sollte, spielte das hoffentlich keine so große Rolle.
Stand also der Name Maarten Verlangen im Gästebuch?
Irgendwann im April dieses Jahres – oder sonst überhaupt irgendwann?
Antwort bitte an Inspektorin Moerk in der Polizeizentrale. Möglichst vor siebzehn Uhr. Negativ oder positiv.
Routinesache, aber eilig.
Als sie ihr Zimmer ein paar Minuten nach drei verließ, hatte sie elf von neunzehn Antworten erhalten.
Alle negativ.
Van Veeteren hatte einen Sieg und ein Remis im Gepäck von den Partien des Vorabends, aber am Samstag Nachmittag holte Bausen zum 2:2 auf. Sie beschlossen, ein entscheidendes fünftes Match bis zum späten Abend aufzuschieben, bereiteten gemeinsam (aber unter Bausens maßgeblicher Leitung) einen Eintopf mit Rotbarsch, Seehecht, Muscheln, Oliven, Knoblauch, geschälten Tomaten und Petersilie vor und genossen ihn zusammen mit Safranreis und dünnen Streifen knusprig gebratenen Specks.
Van Veeteren konnte Bausen nur zustimmen, dass man nach Besserem verdammt lange suchen musste. Und das erst recht, wenn man, wie in ihrem Falle, das Gericht mit einer Flasche weißem Meursault kombinierte, eine der absolut letzten 73er aus Bausens Weinkeller.
Schwarzer Kaffee, ein Calvados und eine Monte-Canario-Zigarre zur Abrundung – sowie, etwas später, ein paar einfache, aber überzeugende Yogaübungen nach Iyenghir, besonders geeignet für Leute mit steifen Lendenwirbeln und zu kurzen hinteren Oberschenkelmuskeln. Kurz gesagt, für Männer über fünfzehn.
Aber nicht direkt nach dem Essen, Gott bewahre. Diesmal war es nur eine Frage der Theorie.
Nachdem Letzteres abgeschlossen war, rief Inspektorin Moerk an und lieferte ihren Rapport. Bausen reichte den Hörer an Van Veeteren weiter, der halb auf dem Sofa liegend erfuhr, dass sich siebzehn von neunzehn Hotels und Pensionen gemeldet und erklärt hatten, dass sie das ganze Jahr über keine Person
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