Sein mit Leib und Seele - Band 06
einen Strauß Rosen auf meinem Treppenabsatz gefunden. Mit einer Nachricht. Einer charmanten.“
„Mist, ich muss los. Aber das ist seltsam.“
„Was?“
„Die Blumen. Ich finde, das passt irgendwie nicht. Ich muss los, wir reden später noch mal darüber, okay?“
„Das passt irgendwie nicht.“ Sie bricht hastig auf und lässt mich grübelnd zurück. Was passt denn irgendwie nicht?
2. Verwechslung
Mein Handy reißt mich aus meinen Gedanken. Eine SMS. Charles? Keine Nummer, wie schlau.
„Du siehst nachdenklich aus.“
Was soll das heißen? Dass ich im Allgemeinen nachdenklich aussehe? Dass er mich sieht? Er hat mich ja in der Bibliothek „besucht“, warum also nicht auch in der Cafeteria? Ich lasse meinen Blick schweifen und scanne die wenigen Nerds ab, die vor ihrem Kaffee sitzen und pauken. Kein Charles Delmonte.
„Ist es wegen gestern Abend?“
Ich erröte, als ich an unser Liebesspiel denke. Allerdings war das nicht gestern Abend. Das war heute Morgen, nach dem Aufwachen. Ich schließe die Augen und kann beinahe wieder die Berührung seiner Lippen auf meinem Po spüren.
„Öffne die Augen.“
Guillaume setzt sich auf den Platz, den Manon erst vor kurzem verlassen hat. Er sieht mich vergnügt an und hat sein Handy in der Hand.
„Du siehst überrascht aus, hast du nicht erraten, dass ich es bin?“
„Doch, doch, natürlich.“
Schnell verjage ich die heißen Gedanken an heute Morgen. Guillaume war es. Das erklärt einiges. Gestern Abend. Der Kuss. Wir haben uns geküsst. Heißt das für ihn, dass wir jetzt zusammen sind? Was habe ich da nur wieder gemacht? Ich warte darauf, dass er das Gespräch anfängt.
„Ich hab total Lust auf dich.“
„Wie bitte?“
Ich habe gerade meinen ganzen Kaffee auf den Tisch gespuckt. Perplex sehe ich ihn an. Er lacht.
„Schon gut, Emma. Ich habe schon verstanden, dass du und ich niemals ein Paar werden. Trotzdem siehst du heute Morgen supersexy aus. Deine zerzausten Haare, dein schweifender und lasziver Blick ... Alles an dir schreit nach Sex. Das musste ich dir einfach sagen.“
„Ähm ... danke?“
„Gern geschehen. Und, wie ich dir schon in meiner kleinen Nachricht schrieb, wir können uns sehr nah sein, ohne zusammen sein zu müssen ...“
„Möge unsere Freundschaft auf dieser Grundlage aufbauen.“ Er war das, natürlich, das ergibt jetzt viel mehr Sinn!
Ich bin erstaunt, wie leicht Guillaume vom schmachtenden Verehrer zum potenziellen
friend with benefits
übergegangen ist. Aber ich glaube, dass ich ihn so doch lieber mag. Fröhlich und zu Späßen aufgelegt. Das hat ihn sogar ein wenig sexy gemacht. Als er mir eben ohne Umschweife sagte, dass er mit mir schlafen will, fing ich sogar leicht an zu erzittern. Aber das ist jetzt nicht der Augenblick, um sich zu verzetteln.
„So verlockend dein Angebot auch klingen mag, heute Morgen ist mir wirklich nicht danach.“
„Ach nein? Dann eben nicht! Was macht dir denn Sorgen?“
„Ich wurde gefeuert.“
„Echt jetzt? Hast du vergessen, die Sommer-Sonderausgabe der
Cahiers Maurice Barrès
zu katalogisieren?“
„Ja, so eine Schandtat muss ich wohl begangen haben.“
Wir brechen in Gelächter aus und freuen uns über diesen Schülerwitz. Einen Augenblick lang vergesse ich die wahren Gründe meines Rauswurfs. Wenn ich wieder daran denke, haben sie einen unangenehmen Beigeschmack, was mir vorher noch nicht aufgefallen war. Ich schäme mich fast für diese intensiven Augenblicke in der Dunkelheit. Sicher eine Frage des Blickwinkels.
„Jetzt bist du also ein armer Schlucker.“
„Genau.“
„Ich bin mir sicher, dass dein notgeiler Vermieter dir ein paar Monate Miete vorstrecken kann, bis du etwas gefunden hast.“
„Ja, bestimmt“, sage ich, ohne auf die Anspielung einzugehen. „Hast du sonst noch eine Idee?“
„Nicht die geringste. Hast du mal ans Kellnern gedacht? Gibt es keine Bar, in der jemand gesucht wird?“
„Das habe ich mal ausprobiert, meine Erinnerungen daran sind nicht so toll. Du kannst Manon und Matthieu fragen, wenn es dich interessiert ...“
„Ein anderes Mal bestimmt, aber ich hab zu tun. Ein neuer Job.“
„Du verlässt die Bibliothek?“
„Ach nein! Ich brauche nur mehr Geld, vielleicht habe ich da etwas gefunden. Ich muss eine Frau in Pigalle treffen. Ich erzähle dir später davon.“
Er muss eine Frau treffen, das klingt mysteriös. Darüber werde ich sicher mehr erfahren, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Es ist echt verrückt, wie viel Geld
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