Sein mit Leib und Seele - Band 06
Motto: „Hat auf dem Bibliotheksgelände an Orgien teilgenommen.“ Ich kichere dieses Mal, ohne mich zurückzuhalten, und denke an den erinnerungswürdigen Abend zurück. Ich, nackt in der Bibliothek, brennend vor Lust. Er, mysteriös und stark, aufgetaucht wie durch Magie. Vielleicht hat man meine Schreie gehört? Ich bebe noch, wenn ich nur daran denke ...
„Ich will nicht wissen, woran du gerade denkst, Emma. Bitte, denk an etwas anderes.“
Manon. Sie sieht heute Morgen, wie so oft, einfach umwerfend aus. Heute sind ihre Haare rot und hängen ihr über die Schultern, sie sieht aus wie eine Wilde. Sie hat ein smaragdgrünes, leichtes Kleid an, das aussieht, als wäre es aus zerknittertem Papier. Wenn sie auf ihren Highheels nicht zwei Meter groß wäre, würde sie einer Waldelfe gleichen. Sie lässt sich an meinen Tisch fallen und zieht ihre Schuhe aus. Während sie ihre falschen Sommersprossen eine nach der anderen entfernt, fragt sie mich aus:
„Schon wieder Charles Delmonte?“
„Ähm ... ja. Aber nein. Ich wurde bei der Bibliothek gefeuert. Gerade eben.“
„Aus welchem obskuren Grund?“
„Weil ich mit Charles im Untergeschoss Sex hatte. Offenbar hat man uns gesehen.“
„Sehr gut.“
„Wie meinst du das, sehr gut?“
„Nein, ich meine, von der Seite hast du nichts mehr zu befürchten. Du bist gefeuert worden. Aus offenbar gerechtfertigten Gründen - du hast deine Arbeit vernachlässigt und die Kleiderordnung nicht eingehalten. Jetzt kannst du dich um andere Dinge kümmern. Du musst dir keine Fragen stellen und brauchst auch nicht sauer sein.“
„Stimmt, wenn man es so betrachtet ...“
Manon ist faszinierend. Sie weiß immer, was zu tun ist, und kommt im Leben mit einer beunruhigenden Leichtigkeit voran. Wäre sie nicht gekommen, hätte ich vielleicht den Tag damit verbracht, Trübsal zu blasen, den Film dieses Tages im Kopf immer wieder abzuspulen und diese erniedrigende Szene meines Rauswurfs ständig neu zu durchleben. Aber sie hat recht. Es ist vorbei. Es war unangenehm, reden wir nicht mehr davon. Und außerdem bereue ich nichts von alldem, was im Untergeschoss passiert ist.
Ich beneide sie um diese Sicherheit und diesen Pragmatismus. Im Gegensatz dazu habe ich immer das Gefühl, nicht richtig reinzupassen. Als würde ich in einer Welt feststecken, für die ich keine Gebrauchsanweisung habe. Als ich in Paris ankam, dauerte es eine Woche, bis ich mich getraut habe, in eine Bäckerei zu gehen. Ich hatte zu große Angst, Fehler zu machen. Nicht die richtigen Worte zu verwenden, um Brot zu kaufen. Ich weiß, dass das lächerlich ist. Am Anfang dachte ich, dass die Welt für Leute wie Manon entworfen wurde ... Und dann, als ich sie öfters traf, habe ich gemerkt, dass ich es war, die ein Problem hatte. Ich muss mich entspannen, natürlicher sein. Bei Charles bin ich natürlich, glaube ich. Jedenfalls fühle ich mich oft unwohl, verstecke das aber nicht. Ich bin ganz natürlich unbeholfen. Auch bei Guillaume, da ist es ganz leicht. Vielleicht ist es bei ihm sogar einfacher, weil es da nicht diese Schranke gibt, was die Herkunft und das Geld betrifft. Ich bin wirklich gern mit ihm zusammen.
„Quatschen wir nicht so viel, ich habe noch zu tun. Sprechen wir über Guillaume.“
Ich glaub, ich träume! Kann sie meine Gedanken lesen?
„Was ist los? Darf ich dich etwa nicht fragen, wie es gestern nach euren schmachtenden Küssen weitergegangen ist?“
„Mist! Das hatte ich ganz vergessen!“
„Ein Tipp: Sag es ihm nicht so, davon würde er sich nicht wieder erholen. Also?“
„Nein, nichts, ich bin mit Alexandre nach Hause gegangen.“
„Und da bist du Charles begegnet!“
„Woher weißt du das?“
„Dein lüsterner Blick, als ich eben reinkam ... Ich dachte, das war bestimmt nicht wegen mir. Trotz meines verlockenden Looks, der dir sicher aufgefallen ist.“
„Aber natürlich! Warum hast du dieses Kleid an?“
„Für ein Shooting mit einer jungen Künstlerin. Aber zurück zu unserem Delmonte, in zehn Minuten habe ich eine Klausur in Altgriechisch.“
„Du verblüffst mich. Was das Kleid betrifft. Und Altgriechisch. Und deine Fähigkeit, meine lüsternen Blicke zu entschlüsseln ... Dennoch würde ich sagen, dass wir Fortschritte machen. Mit meinem charmanten Vermieter, meine ich.“
„Ach ja? Hat er dir seine Schlüssel dagelassen? Wird er dich seinen Eltern vorstellen?“
„Seine Eltern sind tot, glaube ich, und seine Schlüssel habe ich auch nicht. Aber ich habe
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