Sein mit Leib und Seele - Band 06
Portal. Ich öffne es mit einem übergroßen Schlüssel, der aus einem Zeichentrickfilm stammen könnte. Das Haus ist gigantisch. In Wahrheit handelt es sich um eine vornehme Stadtvilla, aber mein neuer Chef erklärt mir, dass man „Objekt“ oder „Produkt“ dazu sagen soll. Ich mache mir eine Notiz. Nachdem wir einige Stufen, wahrscheinlich aus Marmor, emporgestiegen sind, gelangen wir in eine monumentale Eingangshalle, in deren Mitte eine kleine Glaskonsole thront.
„Legen Sie Ihre Sachen hier ab. Ich zeige Ihnen die Räumlichkeiten.“
Wir haben dreißig Minuten für den Rundgang gebraucht. Trotz seiner Hinweise und Tipps habe ich wirklich Angst, mich zu verlaufen. Vier Schlafzimmer („Suiten“), wovon jedes einzelne fünfmal so groß ist wie mein Apartment, Fenster, deren oberes Ende man nicht berühren kann, ohne auf einer Feuerwehrleiter zu stehen, Parkettböden aus edlem Holz, das elegante Verzierungen aufweist. Die drei Badezimmer sind vom selben Schlag.
„Merken Sie sich gut die Marmortypen, danach könnte man Sie eventuell fragen.“
„Wie bitte?“
„In dem Objekt, das wir gerade besichtigen, sind zum Beispiel alle Bäder mit einem anderen Marmortyp ausgestattet. Hier haben wir einen Vert-de-Mer-Marmor.“
„Sehr hübsch.“
„Nicht wahr? Und absolut unerschwinglich. Das Qualitätsmerkmal dieses Marmortyps ist die Regelmäßigkeit der Rillen, die an die Wellen des Meeres erinnern. Sehen Sie, hier ist es perfekt. Das wird Ihnen verrückt vorkommen, aber ich erinnere mich an eine Frau, die ihr ganzes Badezimmer zerstört hat, weil ihr eine Rille nicht gefiel.“
„So eine Irre!“
„Sehe ich auch so, Emma. Aber natürlich vertraue ich darauf, dass Sie Ihre Ausdrucksweise den Kunden gegenüber im Zaum halten.“
„Natürlich. Entschuldigen Sie bitte.“
„Jedenfalls ist das Badezimmer in der ersten Etage aus Marmor aus Córdoba und das Badezimmer, das wir uns jetzt ansehen, ist mehr im Art-déco-Stil gehalten, ich lasse es Sie selbst entdecken.“
Ich habe das Gefühl, eine Schatzkammer zu betreten. Alles scheint aus Gold zu sein: die Wände, das Waschbecken ... Ich strecke die Hand aus, um es zu berühren.
„Ist das aus Gold?“
„Teilweise, ja. Der Vorbesitzer wünschte sich eine dekadente Atmosphäre. Einen obszönen Luxus, in gewisser Hinsicht. Die Wände bestehen aus einem schwarz-goldenen Mosaik – genauer gesagt sind sie mit Blattgold bedeckt –, die Nachbildung eines Werkes, das man in einem Freudenhaus in Pompeji entdeckt hat ... Der Boden besteht aus gewachstem Beton, der mit einem Orientteppich aus reiner Schurwolle bedeckt ist.“
„Das ist aber nicht besonders hygienisch! Vor allem, weil es auch kein Fenster gibt ...“
„Ich bezweifle, dass dieser Ort dafür entworfen wurde, um sich zu waschen ...“
Ein Badezimmer für Sexspiele ... Ich werde rot und beschließe sofort, mich bis zum Ende der Besichtigung nicht mehr einzumischen. Ich bin fasziniert. Nicht von dem konkreten Reiz dieses Ortes, sondern von den unendlichen Möglichkeiten, die einem Geld auftut. Der Rest des Hauses ist vom selben Kaliber: Salons, Empfangszimmer ... Bald befinden wir uns unter dem schweren Kristallkronleuchter des Eingangsbereichs, der da hängt wie eine bedrohliche, riesige Weintraube.
„Ich lasse Sie jetzt alleine. Ihre Kunden werden bald kommen, hier sind ihre Akten. Vergessen Sie nicht, ihnen aufmerksam zuzuhören, das ist das Wichtigste. Sollte es ein Problem geben, rufen Sie mich an.“
„Verstanden. Vielen Dank.“
Keine zehn Minuten später hält vor dem Haus schon ein Taxi. Das muss mein erster Kunde sein, Silvio Spontoni, ein italienischer Unternehmer. Ich warte wie eine Schlossherrin auf der Außentreppe auf ihn. Trotz der Hitze stürzt er schnell die Treppen hinauf und drückt mir herzlich die Hand. Er sieht etwas plump aus in seinem taillierten Anzug, das macht ihn mir sofort sympathisch. Ich führe ihn so gut ich kann durch das Haus und versuche mich an die Dinge zu erinnern, die Lechevalier gesagt hat.
„Das ist Marmor aus Córdoba ...“
„Wirklich wunderschön.“
„Wird Ihre Familie nach Paris nachkommen?“
„Ich habe keine Familie ...“
„Das tut mir leid ...“
„Nein, ich meine damit, meine Mutter und meine Geschwister sind in Neapel, aber ich selbst habe weder Frau noch Kinder ...“
„Ich verstehe.“
„Denken Sie, dass dieses Haus für mich zu groß ist?“
„Ich weiß nicht, das müssen Sie selbst einschätzen ...“
„Sie haben
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