Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
endlich vergönnt gewesen, ein Kind zu zeugen. Dann, als ihr Sohn geboren worden war, hatte sie feststellen müssen, dass das Kind, das sie neun Monate lang in sich getragen und von dem sie geträumt hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, das Kind, das ihr die Liebe hatte schenken sollen, die ihre eigenen Eltern und selbst ihr Ehemann ihr niemals geben konnten – jene unendliche, bedingungslose Liebe eines Jungen für seine Mutter –, ihre Berührungen verabscheute.
Tränen tropften von Melanies Augen, als sie sich daran erinnerte, wie verkrampft sie versucht hatte, die Wahrheit zu leugnen. Selbst nachdem die Ärzte sie über Jasons Erkrankung aufgeklärt hatten, hatte sie noch immer versucht, ihn im Arm zu halten und ihm vorzusingen.
Welchem Kind gefällt es nicht, in den Armen seiner Mutter gewiegt zu werden? Welches Kind wird nicht gern in den Schlaf gesungen, während es sich an die Brust seiner Mutter kuschelt? Warum denn kann ich keinen normalen Sohn haben?
Sie hatte sogar weiter versucht, ihn zu stillen. Zweimal war sie jedoch so frustriert gewesen, als er ihre Brustwarze wieder einmal ausgespuckt und laut losgeschrien hatte, dass sie ihn geschlagen hatte. Beide Male verlor er das Bewusstsein und erlitt einen Krampfanfall. Als die Krämpfe dann endlich wieder nachließen, hatte er nur dagelegen und kaum merklich und sehr flach geatmet. Auch seine Körpertemperatur war gefährlich gesunken, und sein Herz hatte nur noch sehr schwach und langsam geschlagen. Melanie betete damals, dass er überlebt, wagte es aber nicht, ihn ins Krankenhaus zu bringen, aus Angst, man würde sie wegen Kindesmisshandlung verhaften.
»Es tut mir so leid, mein Schatz. Oh, Jason, du darfst nicht sterben. Mami tut es so leid. Bitte, stirb nicht. Mami wollte dir nicht wehtun. Oh, Gott, lass mein Baby nicht sterben!«
Nachdem sich sein Puls wieder normalisiert hatte, hatte sie ihn zurück in die kleine Plastikblase gelegt, die für ihn angefertigt worden war, und sie ganz dicht verschlossen. Dann hatte sie ihn nur noch angeschaut und geweint und dabei tat sie sich selbst viel mehr leid als ihr traumatisiertes Kind.
Melanie holte ein Steak aus dem Eisschrank, um es aufzutauen. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, die richtige Ernährung würde ihn eines Tages heilen. Sie würde einen Fleisch- und Kartoffelmann aus ihm machen, genau wie sein Vater einer war.
Sie wurde ungeduldig und ließ heißes Wasser über das Steak laufen, um den Prozess zu beschleunigen. Dann schälte sie es aus der kleinen Styroporschale, an der es festgefroren war, und warf das komplette Stück Fleisch zusammen mit ein paar Kartoffeln in einen Topf mit kochendem Wasser. Sie ließ ihren Blick erneut zu der hermetisch abgeriegelten Tür ihres Sohnes wandern und stieß einen Seufzer aus, während sich das vertraute Gefühl des Leids und der Sehnsucht in ihr Herz bohrte. Sie wandte sich wieder der Zubereitung der Mahlzeit zu und holte zwei weitere Steaks aus dem Kühlschrank. Diese würzte sie mit grob gemahlenem Pfeffer und Zwiebeln und schob sie für sich und ihren Mann in den Ofen.
Anfangs hatten Melanie und ihr Mann aus Mitleid mit ihrem Sohn – oder vielleicht, um sich selbst zu bestrafen – versucht, dasselbe zu essen wie er. Mehr als einmal hatte Edward bekräftigt, es sei nicht fair, dass sie beide glücklich sind, während ihr Sohn so entsetzlich leiden muss. Sie hatten sogar mit dem Sex aufgehört. Edward wollte nicht riskieren, erneut Nachwuchs zu zeugen, der unter einer so schweren Krankheit litt, und außerdem fühlte er sich schuldig wegen des Glücksgefühls, das Melanie ihm bescherte. Ihr Sohn würde derartige Freuden niemals erleben. Nach ein paar Jahren waren sie jedoch in ihre üblichen Gewohnheiten zurückgefallen. Sie
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