Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
haben mir gesagt, dass das, was ich fühle, nicht normal ist, und dass die Welt voller Freude und Schönheit ist. Sie haben gelogen! Ihr alle! Glück ist eine Illusion. Nur der Schmerz ist real. Freude ist nur ein kurzes Intervall zwischen zwei Phasen des Kummers, und sie macht ihn nur umso schlimmer und eindringlicher. Würde ich kein Glück kennen, könnte ich mit dieser Folter leben. Wenn dieser Kummer dauerhaft wäre, so wie mein Schmerz, dann könnte ich es vielleicht auch. Aber das Glück verhindert, dass man sich daran gewöhnt. Es gibt dir falsche Hoffnung, damit es dich zerstören kann, wenn der Schmerz zurückkehrt. Sie hätten mich einfach in Ruhe lassen sollen in meinem Zimmer. Sie hätten mich töten sollen!«
»Jason. Es ist okay. Dieser Kummer ist dasselbe wie der körperliche Schmerz. Du kannst ihn genauso bewältigen.« Der Yogi war näher an Jason herangetreten und versuchte, besser zu erkennen, was er in die Decken gewickelt hielt. Der faulige, beißende Gestank wurde immer stärker, je weiter er sich ihm näherte. Er war schwindelerregend. Der Magen des Yogis schlug Purzelbäume.
»Nein, das kann ich nicht. Ich hab’s versucht. Glauben Sie nicht, ich hätte es nicht versucht, verdammt! Aber das ist so viel schlimmer. Ich würde lieber Folter erleiden, als zuzusehen, wie die Menschen, die ich liebe, von mir gehen. Mich hat noch nie jemand verstanden.«
Der Yogi bemerkte das Blut, das Jasons Arme und Brust bedeckte.
»Oh, mein Gott, Jason. Was hast du getan?«
»Ich hab Mama umgebracht, und jetzt hab ich auch noch Katie getötet. Sie hat mich angeschrien. Sie hat mich nicht mehr geliebt. Es hat so wehgetan, was sie gesagt hat. Es hat so schrecklich wehgetan. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste sie umbringen.«
Jason zog die Decke zurück und enthüllte Katies angeschwollenes Gesicht. Die Hitze im Zimmer hatte den Verwesungsprozess beschleunigt; ihr Körper war von den Gasen ganz aufgedunsen. Ihre Haut war grün, violett und blau verfärbt, wie bei einer entzündeten Wunde. Ihre starren Augen waren weit aufgerissen und mit einer milchigen Flüssigkeit überzogen.
»Was hast du getan, Jason?«
»Sie haben das getan! Es ist Ihre Schuld!«
Jason hob das Skalpell und der Yogi starrte reglos darauf.
»Was willst du jetzt tun, Jason? Willst du mich umbringen, weil ich dir gezeigt habe, was Glück bedeutet? Ist es das? Glaubst du, ich hätte dir unrecht getan, weil ich dich nicht in diesem winzigen Zimmer verrotten ließ, in dem du nichts als Schmerzen gespürt hast? Dafür kann ich mich nicht entschuldigen, Jason.«
»Aber hiervon haben Sie mir nichts gesagt!«
Er schob die Decke von seinem Schoß und die Leiche des Mädchens schlug mit einem dumpfen Pochen auf dem Boden auf und zerfiel in ihre Einzelteile. Ihr Körper war verstümmelt und in mehrere Teile zerhackt worden. Der Yogi blickte auf das kleine Skalpell in Jasons Hand und versuchte, sich vorzustellen, wie lange es gedauert haben musste, sie mit einer so kleinen Klinge zu zerteilen. Allein die Muskeln und Sehnen zu durchtrennen musste ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, aber auch durch all die Bänder und den Knorpel zu schneiden, um ihre Glieder zu entfernen, hatte ganz gewiss eine kleine Ewigkeit gedauert. Dies war mehr als das Verbrechen aus Leidenschaft, das Jason beschrieben hatte. Es war nicht nur ein momentaner Verlust der Vernunft, ausgelöst von mächtigen Emotionen. Um dies tun zu können, musste Jason es genossen haben. Arjunda blickte in Jasons Augen, und zum ersten Mal sah er den Wahnsinn, der wahrscheinlich seit jeher darin gelauert hatte. Wie hätte ein Junge auch sein ganzes Leben lang leiden und nicht dem Wahnsinn verfallen können? Der Yogi erkannte nun, dass dies unmöglich war.
»Jason …« Aber Arjunda fiel nichts ein, was er hätte sagen können.
Dann öffnete sich knarrend die Zimmertür. Sonnenlicht flutete den Raum und blendete sie beide.
»Geh von ihm weg, Jason.«
Jason und Arjunda drehten sich zu der Silhouette um, die sich im Türrahmen abzeichnete. Es war Edward. Er stand da, das Gewehr in beiden Händen, und betrachtete das Blutbad, das sich über das ganze Zimmer ergoss. Sein Ausdruck zeigte dieselbe Mischung aus Entschlossenheit und Niedergeschlagenheit, die permanent in seine Züge geritzt zu sein schien. Er wirkte, als sei er in den Wochen, seit der Yogi ihn zuletzt gesehen hatte, um weitere zehn Jahre gealtert.
»Papa?«
»Es tut mir leid, mein Sohn. Es tut mir leid, dass ich nicht
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