Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
auf seinem Oberschenkel baumelte, ließ seine Mutter erröten. Mit 17 Jahren war er kein kleiner Junge mehr.
»Ich hab dir dein Abendessen mitgebracht, Jason.«
Seine Hände flogen förmlich an seine Ohren und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht und fletschte mit einem bösartigen Knurren die Zähne. Er nahm die Hände wieder von den Ohren und funkelte seine Mutter mit mörderischem Blick an.
Melanie musste sich auf die Faust beißen, um sich selbst davon abzuhalten, sich zu entschuldigen. Sie nahm die Faust wieder aus ihrem Mund und murmelte die Worte stumm: Es tut mir leid.
Jason schüttelte den Kopf und streckte seine Hand nach dem Tablett aus, ganz vorsichtig, damit seine Haut nicht mit der seiner Mutter in Kontakt kam. Aus irgendeinem Grund empfand er ihre Berührungen als besonders unangenehm. Melanie wandte den Kopf ab, als Jason begann, das Essen von dem Tablett zu saugen und zu schlecken. Er hasste es, wenn das Essen mit seinen Händen in Berührung kam, und weigerte sich sogar, Plastikbesteck zu benutzen. Das Risiko, sich daran zu schneiden, war einfach zu groß.
Melanie wollte ihrem Sohn von dem Yogi erzählen, aber sie konnte nicht mit ihm sprechen und Jason hatte auch nie gelernt, mehr als ein paar grundlegende Worte zu lesen. Eine Zeit lang hatten sie es mit Zeichensprache versucht, aber Jason hatte sich als zu ungeduldig und reizbar erwiesen, um sie zu lernen. Sie saß da, starrte ihren Sohn an, während er sein Essen verschlang, und fragte sich, wie der Yogi jemals zu ihm durchdringen wollte.
Zwei Tage später antwortete der Yogi.
Melanie hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, und ihre Stimmung hatte sich wieder verfinstert. In den letzten 48 Stunden war sie zwei-, dreimal pro Stunde zu ihrem Computer gerannt, um nachzusehen, ob Yogi Arjunda auf ihre E-Mail reagiert hatte. Sie hatte gerade das Frühstück für Jason zubereitet und zugesehen, wie er es in der völligen Dunkelheit seines Zimmers aufleckte, und war auf dem Rückweg in die Küche erneut an ihrem Computer vorbeigegangen, als sie gesehen hatte, dass die Antwort auf ihre E-Mail eingetroffen war.
Ihre Hände zitterten, als sie den Cursor auf den kleinen Briefumschlag des E-Mail-Icons bewegte und doppelklickte. Sie quietschte wie ein Schulmädchen, als die Nachricht des Yogis auf dem Bildschirm erschien.
Liebe Mrs. Thompson,
ich habe Ihr von Herzen kommendes Schreiben mit großem Interesse gelesen. Es tut mir sehr leid, welches Unglück Sie und Ihr Sohn erfahren müssen. Er leidet unter einer sehr schweren Erkrankung, die mir, zugegebenermaßen, noch nie zuvor begegnet ist. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was es für Ihren Sohn bedeuten muss, sein Leben lang nichts als Schmerzen gekannt zu haben – und was es für Sie bedeuten muss, hilflos dabei zusehen zu müssen. Ich glaube, dass es meine von Gott gegebene Pflicht ist, Ihnen und Ihrem Sohn zu helfen. Solange er weiterhin leidet, wird meine Seele keine Ruhe finden, ebenso wenig wie Ihre, da bin ich mir sicher. Ich werde sofort in ein Flugzeug steigen und Sie besuchen. Wenn Sie es mir erlauben würden, als Gast in Ihrem Haus zu wohnen, während ich versuche, Ihr Kind aus seinem Elend zu erlösen, wären Essen, ein Dach über dem Kopf und Ihre Gastfreundschaft die einzige Vergütung, die ich brauche.
In Frieden,
Yogi Arjunda
Melanie las die E-Mail immer wieder. Es war fast nicht zu glauben. Sie hatten bereits Unsummen für so viele Spezialisten ausgegeben. Es war einfach schwer zu glauben, dass dieser Mann ihnen völlig kostenlos helfen wollte.
Nicht kostenlos, erinnerte sie sich wieder. Er will Essen, ein Dach über dem Kopf und meine »Gastfreundschaft«. Ich frage mich, warum er »Ihre Gastfreundschaft« geschrieben hat und nicht »die Gastfreundschaft Ihrer Familie«.
Wäre der Yogi kein heiliger Mann gewesen, hätte sie diese »Gastfreundschaft« womöglich als sexuelle Gefälligkeiten interpretiert. Aber Melanie war sich ziemlich sicher, dass alle Mönche zölibatär lebten – auch wenn sie nichts Genaueres über den hinduistischen Glauben wusste. Sie hatte ja noch nicht einmal einen Beweis dafür, dass er wirklich Hindu war. Sie hatte nur mitten in der Sendung den Fernseher eingeschaltet und nie wirklich gehört, wie er sagte, welchem Glauben er angehörte. Sie hatte es aufgrund seiner orangenen Kutte und seines Titels einfach angenommen.
Aber ist ein Yogi nicht ein Hindu-Priester oder -Mönch oder so? Sie war sich nicht sicher. Ihre einzige Erfahrung mit
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