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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wenn ich zur
Polizeibehörde gegangen wäre, daß ich nicht ein hübsches Trinkgeld
erschnappt hätte? Indessen, ich will lieber, daß ein Freund seinen
Vorteil davon hat. Hörst du, es ist ernst! Geh hin und erzähle die
Geschichte dem Kaiser, er wird dich umarmen, wahrhaftig!«
    Seit drei Tagen überwachte er die netten Herren, wie er sie
nannte. Bei Tage kamen noch zwei andere, ein jüngerer und ein
älterer, sehr schön, blaß und mit langem, schwarzem Haar, welcher
der Führer zu sein schien. Alle diese kamen ganz abgehetzt und
redeten kurz, in gedämpften Worten. Am Abend vorher hatte er sie
»kleine Maschinen« von Eisen laden sehen, die er für Bomben hielt.
Er hatte sich von Eulalia den Schlüssel geben lassen und blieb ohne
Schuhe mit gespitzten Ohren im Zimmer. Um neun Uhr abends sorge er
dafür, daß Eulalie schnarche, um die Nachbarn zu beruhigen. Nach
seiner Ansicht dürfe man Weiber niemals in die Politik mengen.
    Je länger Gilquin redete, desto ernster wurde Rougon. Er
glaubte. Unter der Angetrunkenheit des vormaligen Reisenden und
inmitten der sonderbaren Einzelheiten, von denen die Erzählung
unterbrochen wurde, fühlte er eine Wahrheit heraus, die sich ihm
unwillkürlich aufdrängte. Nunmehr erschien ihm sein gespanntes
Harren, die ängstliche Neugier, worin er den Tag verbracht hatte,
als ein Vorgefühl. Wieder erbebte er im Innern, wie schon am
Morgen; es war die unwillkürliche Erregung des starken Mannes, mit
dem das Schicksal ein gewagtes Spiel treibt.
    »Dummköpfe, welche sicherlich die ganze Polizei auf den Fersen
haben!« murmelte er, die äußerste Gleichgültigkeit heuchelnd.
    Gilquin begnügte sich zu grinsen. Dann
brummte er zwischen den Zähnen:
    »In diesem Falle würde die Polizei gut tun, sich zu
beeilen.«
    Er schwieg noch immer grinsend und gab seinem Hute einen
vertraulichen Klaps. Der große Mann begriff, daß jener noch nicht
alles gesagt hatte, und sah ihm ins Gesicht. Aber der andere
öffnete die Tür und fuhr fort:
    »Nun, du bist jetzt unterrichtet … Ich gehe zu Tische, mein
Lieber, denn ich habe noch nicht gegessen, wie du mich da siehst.
Ich habe meine Leute den ganzen Nachmittag verfolgt … Und ich
habe einen Hunger!«
    Rougon hielt ihn zurück, bot ihm etwas kalten Braten an und ließ
im Speisesaal sogleich ein Gedeck auflegen. Gilquin schien sehr
gerührt. Er schloß die Türe wieder und sagte leise, daß der Diener
ihn nicht hören sollte:
    »Du bist ein guter Junge … Höre zu! Ich will dich nicht
belügen. Hättest du mich übel aufgenommen, wäre ich zur Polizei
gegangen … Aber jetzt sollst du alles wissen. Das ist ehrlich,
wie? Du wirst dich hoffentlich dieses Dienstes erinnern. Freunde
bleiben Freunde, da mag man sagen, was man will.«
    Dann bog er sich zu ihm und wisperte ihm zu:
    »Morgen abend soll Badinguet  Spottname des Kaisers. (Anm. des
Übers.)  hinweggefegt werden in dem Augenblick, da er
die Oper betritt. Der Wagen, die Adjutanten, die Begleitung – alles
wird in die Luft geblasen.«
    Während Gilquin es sich im Speisesaale bequem machte, blieb
Rougon mitten in seinem Zimmer stehen, unbeweglich, mit erdfahlem
Gesicht. Er überlegte, er zögerte. Endlich setzte er sich an seinen
Schreibtisch und nahm ein Blatt Papier, schob es aber sogleich
wieder weg. Einen Augenblick schien er an
die Tür eilen zu wollen, wie um einen Befehl zu geben, aber er
kehrte langsam um und versank in Gedanken, die tiefe Schatten über
sein Gesicht breiteten.
    In diesem Augenblick wurde der Lehnstuhl vor dem Kamine jäh
zurückgestoßen. Du Poizat erhob sich und faltete ruhig eine Zeitung
zusammen.
    »Wie, Sie haben da gesessen?« fuhr Rougon ihn an.
    »Versteht sich, ich habe die Blätter gelesen«, antwortete der
ehemalige Unterpräfekt lächelnd, wobei er seine schiefen Zähne
zeigte. »Sie wußten es ja; Sie müssen mich doch gesehen haben, als
Sie eintraten.«
    Diese unverschämte Lüge schnitt jede weitere Erklärung ab. Sie
sahen sich einige Sekunden lang schweigend an. Als Rougon in seiner
Verlegenheit ihn befragen zu wollen schien und abermals an seinen
Schreibtisch trat, gab ihm Du Poizat einen Wink, der offenbar
bedeutete: »Warten Sie, es drängt nicht, wir müssen erst sehen.« So
kehrten sie denn, ohne ein Wort gewechselt zu haben, in den Salon
zurück.
    Zwischen dem Oberst und Herrn Bouchard war über die Prinzen von
Orleans und den Grafen Chambord ein so heftiger Streit
ausgebrochen, daß sie die Karten auf den Tisch warfen und schwuren,
nie

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