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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wieder zusammen zu spielen. Sie saßen zu beiden Seiten des
Kamins und warfen einander drohende Blicke zu. Als Rougon eintrat,
versöhnten sie sich, indem sie ihm überschwengliche Lobsprüche
spendeten.
    »Es macht mir nichts aus, ich sage es in seiner Gegenwart«, fuhr
der Oberst fort. »Es gibt jetzt keinen solchen Menschen mehr, wie
er ist.«
    »Wir verlästern Sie«, wandte sich Herr Bouchard schlau lächelnd
an ihn.
    Und die Unterhaltung wurde fortgesetzt:
    »Ein Scharfsinn sondergleichen!«
    »Ein Mann der Tat mit dem Blicke des
Eroberers.«
    »Es wäre sehr nötig, daß er sich ein wenig um unsere
Angelegenheiten kümmere!«
    »Ja, der Wirrwarr wäre dann nicht so arg … Er allein kann
das Kaiserreich retten.«
    Rougon hob seine breiten Schultern und zog aus Bescheidenheit
ein unzufriedenes Gesicht. Dieser mit vollen Händen gestreute
Weihrauch war ihm sehr angenehm. Niemals fühlte seine Eitelkeit
sich so wonnig gekitzelt, als wenn der Oberst und Herr Bouchard
sich so ganze Abende lang in Ausdrücken der Bewunderung überboten.
Ihre Dummheit machte sich breit, ihre Gesichter nahmen einen
komischernsten Ausdruck an; und je abgeschmackter er sie fand, ein
desto größeres Vergnügen fand er an ihrer eintönigen Stimme, die
ihn beständig fälschlich feierte. In ihrer Abwesenheit spottete er
zuweilen darüber; aber es befriedigte nichtsdestoweniger alle seine
hochmütigen und herrschsüchtigen Triebe. Es war gleichsam ein
Düngerhaufen von Lobsprüchen, groß genug, daß er seinen gewaltigen
Leib bequem darin wälzen konnte.
    »Nein, nein, ich bin ein armer Tropf«, sagte er, das Haupt
schüttelnd. »Wenn ich wirklich so stark wäre, wie Sie
glauben … «
    Er sprach den Satz nicht zu Ende. Er saß am Spieltisch und legte
sich mechanisch die Karten, was er nur noch sehr selten tat. Herr
Bouchard und der Oberst ließen inzwischen ihren Zungen freien Lauf,
sie erklärten ihn für einen großen Redner, groß in der Verwaltung,
im Finanzwesen und in der Politik. Du Poizat, der daneben stand,
nickte zustimmend. Endlich sagte er, ohne Rougon anzusehen, als ob
dieser nicht anwesend wäre:
    »Mein Gott, ein Ereignis würde genügen … Der Kaiser will
Rougon sehr wohl. Bräche morgen eine Katastrophe herein, würde er die Notwendigkeit eines starken
Armes fühlen, so wäre Rougon übermorgen Minister … Mein Gott,
ja!«
    Der große Mann erhob langsam die Blicke. Er ließ sich in den
Sessel zurücksinken, ohne sein Spiel zu beenden; sein Gesicht war
wieder grau bewölkt. Aber in seiner Träumerei schienen die
unermüdlichen Schmeichelstimmen des Obersten und des Herrn Bouchard
ihn zu wiegen, ihn zu irgendeinem Entschlüsse zu treiben, den
auszuführen er noch schwankte. Er lächelte schließlich, als August,
der eben das liegengelassene Spiel zu Ende geführt hatte,
ausrief:
    »Es ist gelungen, Herr Rougon!«
    »Natürlich,« sagte Herr Du Poizat, das Lieblingswort des großen
Mannes gebrauchend, »es gelingt immer!«
    In diesem Augenblicke meldete ein Diener Rougon, ein Herr und
eine Dame wünschten ihn zu sprechen. Als er die Karte las, stieß er
einen leisen Schrei aus und rief:
    »Wie, sie sind in Paris?«
    Es war der Marquis d'Escorailles und dessen Gattin; er beeilte
sich, sie in seinem Zimmer zu empfangen. Sie entschuldigten sich,
daß sie so spät kämen, gaben zu verstehen, daß sie schon zwei Tage
in Paris seien, aber die Furcht, ihren Besuch bei einer der
Regierung nahestehenden Persönlichkeit mißdeutet zu sehen, habe sie
ihr Kommen bis zu dieser ungewohnten Stunde verschieben lassen.
Dies Geständnis verletzte Rougon keineswegs. Die Anwesenheit des
Marquis und seiner Gemahlin in seinem Hause war für ihn eine
unverhoffte Ehre. Hätte der Kaiser in Person an seine Tür geklopft,
seine Eitelkeit wäre weniger befriedigt gewesen. In diesen alten
Leuten, die als Bittsteller kamen, huldigte ihm ganz Plassans, das
aristokratische, kühle, aufgeblasene Plassans, das ihm von
Kindesbeinen auf als ein unnahbarer Olymp vor der Seele stand; und
er fand so eine Befriedigung seines alten Ehrgeizes, er fühlte sich
entschädigt für die Geringschätzung, die
er in der Kleinstadt als schlappschuhiger, unbeschäftigter Advokat
hatte erdulden müssen.
    »Wir haben Jules nicht getroffen«, begann die Marquise. »Wir
hatten uns im voraus gefreut, ihn zu überraschen … Er hat nach
Orleans reisen müssen in Geschäften, wie es scheint.«
    Rougon wußte hiervon nichts. Aber er begriff alles, indem er
sich erinnerte,

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