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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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daß die Tante, bei der sich Frau Bouchard befand,
in Orleans wohnte. Er entschuldigte denn Jules; er erklärte ihnen
sogar die wichtige Angelegenheit: es sei eine Arbeit über die Frage
des Mißbrauchs der Amtsgewalt, die ihn zu der Reise gezwungen habe.
Er stellte ihn als einen begabten jungen Mann hin, der eine schöne
Laufbahn erwarten dürfe.
    »Er muß sich seinen Weg selbst bahnen«, sagte der Marquis, ohne
bei dieser Anspielung auf den Ruin des Hauses nachdrücklicher zu
verweilen. »Wir haben uns mit schwerem Herzen von ihm
getrennt.«
    Darauf beklagten Vater und Mutter mit einiger Zurückhaltung die
Forderungen unserer schrecklichen Zeit, welche die Kinder
hinderten, in den Überzeugungen ihrer Eltern heranzuwachsen. Sie
hätten seit Karls X. Tode keinen Fuß wieder nach Paris gesetzt. Sie
wären gewiß nicht gekommen, wenn es sich nicht um Jules' Zukunft
handelte. Seitdem der liebe Sohn ihrem heimlich erteilten Rate
gemäß dem Kaiserreiche diente, mußten sie ihn vor der Welt
verleugnen, aber im stillen arbeiteten sie beständig an seinem
Fortkommen.
    »Wir spielen mit Ihnen nicht Versteckens, Herr Rougon«, fuhr der
Marquis mit liebenswürdiger Vertraulichkeit fort. »Wir haben unser
Kind lieb, das ist sehr natürlich … Sie haben viel getan, und
wir danken Ihnen. Aber Sie müssen noch
mehr tun. Wir sind Freunde und Landsleute, nicht wahr?«
    Rougon verbeugte sich tief bewegt. Die demütige Haltung der
alten Leute, die er früher Sonntags so majestätisch hatte zur
St.-Markuskirche schreiten sehen, ließ seine eigene Person in
seinen Augen bedeutend wachsen. Er gab ihnen also ein förmliches
Versprechen.
    Als sie sich nach etwa zwanzig Minuten verabschiedeten, ergriff
die Marquise eine seiner Hände, hielt sie einen Augenblick in der
ihren und murmelte:
    »Also, es ist abgemacht, lieber Herr Rougon. Wir sind
ausdrücklich deshalb aus Plassans gekommen. Wir wurden ungeduldig
bei unserem Alter, was denken Sie! Jetzt werden wir vergnügt
heimkehren … Man sagte uns, Sie könnten gar nichts mehr
erreichen.«
    Rougon lächelte. Er sagte ihnen zum Abschied mit einem Ausdruck
der Entschiedenheit, der seinen geheimsten Gedanken zu entsprechen
schien:
    »Der Mensch kann, was er will … Rechnen Sie auf mich!«
    Als er jedoch wieder allein war, glitt abermals ein Schatten des
Bedauerns über seine Züge. Mitten im Vorzimmer stehen bleibend,
gewahrte er einen anständig gekleideten Mann, der achtungsvoll in
der Ecke stand und einen kleinen runden Filzhut zwischen den
Fingern drehte.
    »Was wollen Sie?« fragte er heftig.
    Der sehr große und starke Mensch murmelte, die Augen
niederschlagend:
    »Der gnädige Herr kennt mich nicht mehr?«
    Als Rougon grob verneinte, fuhr er fort:
    »Ich bin Merle, der ehemalige Türsteher des gnädigen Herrn im
Staatsrat.«
    Rougon erwiderte milder:
    »Sehr gut. Sie tragen jetzt einen
Vollbart … Also, was wünschen Sie?«
    Darauf erklärte sich Merle im höflichsten Tone. Er war am
Nachmittag Frau Correur begegnet, und sie hatte ihm geraten, noch
am Abend zu Herrn Rougon zu gehen; andernfalls würde er sich
niemals erlaubt haben, um diese Zeit zu stören.
    »Frau Correur ist sehr gut«, wiederholte er mehrmals.
    Endlich rückte er damit heraus, daß er keine Stellung habe. Wenn
er jetzt einen Vollbart trage, so sei der Grund der, daß er seit
etwa einem halben Jahre den Staatsrat verlassen habe. Als Rougon
ihn nach dem Grunde seiner Entlassung fragte, gestand er nicht, daß
er wegen seiner schlechten Aufführung vor die Tür gesetzt worden
sei, sondern er sagte, die Lippen zusammenkneifend:
    »Man wußte, wie sehr ich dem gnädigen Herrn ergeben war. Seit
Ihrem Abgange verursachte man mir allerlei Ungelegenheiten, weil
ich niemals meine Gefühle habe verbergen können … Eines Tages
hätte ich einem Kameraden, der Unziemliches sagte, beinahe eine
Ohrfeige gegeben … Darauf bin ich entlassen worden.«
    Rougon sah ihn fest an und fragte:
    »Also um meinetwillen sitzen Sie jetzt auf dem Pflaster, mein
Lieber?«
    Merle lächelte nur.
    »Also schulde ich Ihnen eine Stelle? Ich muß Sie irgendwo
unterbringen?«
    Er lächelte wieder und sagte nur:
    »Gnädiger Herr wären sehr gütig … «
    Während des kurzen Schweigens, das folgte, klatschte Rougon
nervös mit den Händen. Endlich machte er sich in einem herzhaften
Lachen Luft. Er hatte zu viele Schulden, er wollte alles bezahlen
und sagte:
    »Ich werde an Sie denken, Sie sollen Ihre
Stelle haben. Sie haben wohlgetan, daß

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