Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
flüsterte ihm ins Ohr:
    »Der Herr von heute früh ist da.«
    Er fuhr auf. Er hatte die Klingel überhört. In seinem Zimmer
fand er Gilquin, ein spanisches Rohr unterm Arme, vor einem
schlechten Stiche, »Napoleon auf Sankt-Helena« darstellend, den er
blinzelnd mit Kennermiene musterte. Sein langer grüner Überzieher
war bis zum Kinn zugeknöpft, sein Seidenhut war fast neu und saß
sehr schief auf einem Ohre.
    »Nun?« fragte Rougon lebhaft.
    Aber Gilquin hatte es nicht so eilig. Er sagte kopfschüttelnd,
noch immer auf das Bild blickend:
    »Das ist immerhin gut getroffen! … Er scheint sich da
verdammt zu langweilen!«
    In dem Gemache befand sich nur eine Lampe, die auf einer Ecke des Schreibtisches stand. Bei Rougons
Eintritt war ein leises Rascheln von Papier aus einem sehr
hochlehnigen Sessel, der vor dem Kamin stand, vernehmlich geworden;
dann herrschte eine solche Stille, daß man das Geräusch für das
Prasseln eines brennenden Scheites hätte halten können. Gilquin
weigerte sich übrigens, Platz zu nehmen. Beide standen nahe der Tür
im Halbschatten eines Bücherschreines.
    »Nun?« wiederholte Rougon und berichtete dann, daß er am
Nachmittag in der Guisardestraße gewesen sei, um Gilquin
aufzusuchen. Darauf redete sein Gast von der Pförtnerin, einer
ausgezeichneten Frau, die in dem feuchten Erdgeschoß an einer
Brustkrankheit zugrunde gehe.
    »Aber welches ist die dringende Angelegenheit?«
    »Warte nur! Deshalb bin ich ja gekommen. Wir plaudern ein
bißchen … Du bist hinaufgeklettert und hast die Katze gehört?
Denke dir, das Tier ist an der Dachrinne zu mir gekommen. In einer
Nacht, als ich das Fenster offen gelassen, fand ich sie neben mir
liegen. Sie leckte mir den Bart, und das schien mir so drollig, daß
ich sie behielt.«
    Endlich entschloß er sich, zur Sache zu kommen. Aber die
Geschichte war sehr lang. Er begann damit, seine Liebe zu einer
Plätterin zu erzählen, die er beim Verlassen des »Gemischten
Theaters« kennengelernt hatte. Die arme Eulalia hatte ihre Möbel
dem Hauswirt lassen müssen, weil ihr Liebhaber sie im Stiche
gelassen in einem Augenblick, als sie die Miete für fünf
Vierteljahre schuldete. Seit zehn Tagen wohnte sie in einem
Gasthause in der Nähe ihrer Plättstube; und bei ihr hatte er die
ganze Woche geschlafen im zweiten Stock am Ende eines Ganges in
einem Kämmerchen, das auf den Hof hinausging.
    Rougon hörte ihm ergeben zu.
    »Vor drei Tagen also«, fuhr Gilquin fort, »brachte ich einen
Kuchen und eine Flasche Wein mit … Wir haben es im Bette verzehrt, verstehst du. Wir sind früh zu
Bett gegangen … Eulalia stand kurz vor Mitternacht auf, um die
Krumen vom Bette zu schütteln. Gleich darauf schlief sie wie ein
Bär. Ein wahres Murmeltier, dies Frauenzimmer! … Ich aber
schlief nicht. Ich hatte das Licht ausgeblasen und blickte ins
Dunkel, als sich im anstoßenden Zimmer ein Wortwechsel erhob.
Unsere Kammer steht nämlich mit jener durch eine Tür in Verbindung,
die jetzt immer verschlossen ist. Die Stimmen wurden leiser, der
Friede schien wieder hergestellt, aber ich vernahm so sonderbare
Geräusche, daß ich meiner Treu durch eine Türritze lugte. Nein, du
wirst in deinem Leben nicht erraten … «
    Er hielt inne und genoß mit weit geöffneten Augen den Eindruck,
den er hervorzubringen gedachte.
    »Nun denn, es waren ihrer zwei, der eine etwa fünfundzwanzig
Jahre alt und recht hübsch; der andere mußte über die Fünfzig
hinaus sein und war klein, mager, kränklich … Die Kerle
untersuchten Pistolen, Dolche, Säbel, kurz, neue Waffen aller Art,
deren Stahl im Lichte blinkte. Sie redeten eine eigene Sprache, die
ich anfangs nicht verstand. Aber an gewissen Worten erkannte ich
sie bald als italienisch. Du weißt, ich habe Italien in Pasteten
bereist. Ich strengte mich also an und verstand, mein Lieber …
Die Herren sind nach Paris gekommen, um den Kaiser aus dem Wege zu
räumen. Heraus ist's!«
    Und die Arme kreuzend, drückte er seinen Stock gegen die Brust,
indem er mehreremal wiederholte:
    »Na, ist das nicht eine drollige Geschichte?«
    Das also war die Angelegenheit, die Gilquin drollig fand. Rougon
zuckte die Achseln; zwanzigmal hatte man ihm Verschwörungen
hinterbracht. Aber der ehemalige Handlungsreisende gab genaue
Auskunft.
    »Du hast mir gesagt, ich solle dir das Geschwätz aus
dem Viertel melden. Ich möchte dir gern
einen Dienst erweisen, ich teile dir alles mit, wie? Du brauchst
nicht den Kopf zu schütteln … Glaubst du,

Weitere Kostenlose Bücher