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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Sachen der Konzession. Als er endlich ausgestiegen war,
schloß er freundschaftlich die Türe und nickte dem ehemaligen
Abgeordneten zum Abschied zu.
    »Auf morgen, Donnerstag, nicht wahr?« rief dieser zurück, als
der Wagen sich schon in Bewegung gesetzt hatte.
    Rougon hatte sich ein leichtes Fieber geholt. Er konnte nicht
einmal die Abendblätter lesen. Obgleich es kaum fünf Uhr war, ging
er in den Salon, wo er seine Gäste erwartete, und schritt hier auf
und ab. Die erste Sonne des Jahres, diese blasse Januarsonne, hatte
ihm einen Anfall von Migräne gebracht. Der Nachmittag hatte ihn
sehr aufgeregt. Die ganze Gesellschaft war da: die Freunde, welche
er duldete, die, welche er fürchtete, und die, welche seinem Herzen
wirklich nahe standen. Alle drängten ihn zu einer schleunigen
Lösung. Und es mißfiel ihm keineswegs; im Gegenteil, er gab ihrer
Ungeduld recht, er fühlte, daß ihr Zorn den seinen erregte. Er
hatte die Empfindung, als werde der Raum vor seinen Füßen nach und
nach verkürzt, so daß er binnen kurzem einen gewaltigen Sprung
werde wagen müssen.
    Da fiel ihm plötzlich Gilquin ein, den er ganz vergessen hatte.
Er klingelte und fragte, ob »der Herr im grünen Überrock« während
seiner Abwesenheit wieder gekommen sei. Der Bediente hatte
niemanden gesehen. Darauf befahl er, wenn jener kommen sollte, ihn
in sein Arbeitszimmer zu führen.
    »Sie benachrichtigen mich sofort!« schloß er, »selbst wenn wir
bei Tische sein sollten.«
    Seine Neugier war wieder rege geworden, und er holte Gilquins
Karte von neuem hervor. Er las mehrere Male: »Es ist dringend, eine
komische Geschichte«, ohne etwas Weiteres ergründen zu können. Als
Herr Bouchard und der Oberst kamen, schob
er die Karte in die Tasche, unwillig gereizt durch diese Worte, die
sich wieder seinem Hirn eingeprägt hatten.
    Das Essen war sehr einfach. Herr Bouchard war seit zwei Tagen
Strohwitwer, da seine Frau zu einer kranken Tante hatte reisen
müssen, von der sie früher nie gesprochen hatte. Der Oberst, für
den der Tisch bei Rougon stets gedeckt war, hatte diesmal seinen
August mitgebracht, der gerade Ferien hatte. Frau Rougon überwachte
das Mahl schweigend und aufmerksam wie immer. Die Bedienung vollzog
sich unter ihren Augen gemessen und genau, ohne daß man einen
Teller klirren hörte. Man sprach vom Unterrichte an den Gymnasien.
Herr Bouchard führte Verse aus Horaz an nebst den Preisen, die er
bei dem allgemeinen Wettkampf im Jahre 1813 errungen hatte. Der
Oberst wünschte eine mehr militärische Zucht und erklärte, weshalb
August bei der Reifeprüfung im November durchgefallen war: der
Junge war so klug, daß er immer über die Fragen der Lehrer
hinausgriff, und das verdroß diese Herren. Während sein Vater so
seinen Durchfall erklärte, verspeiste August mit dem verhaltenen
Lächeln eines befriedigten Hungerleiders eine Hühnerbrust.
    Beim Nachtisch schien ein Läuten im Flur den Hausherrn, der bis
dahin zerstreut gewesen, zu erregen. Er glaubte, es sei Gilquin und
faltete schon mechanisch seine Serviette zusammen, dessen Anmeldung
erwartend. Aber es war Du Poizat, der als Freund des Hauses am
Tische Platz nahm. Er kam oft abends beizeiten sogleich nach seinem
Abendbrot, das er in einer kleinen Pension der
Faubourg-St.-Honorius-Vorstadt einnahm.
    »Ich bin wie gerädert!« seufzte er, ohne zu erklären, was für
verwickelte Geschäfte er am Nachmittag gehabt. Ich würde zu Bett
gehen, wenn mir nicht eingefallen wäre, noch einen Blick in die Blätter zu werfen… Sie liegen in
Ihrem Zimmer, Rougon, nicht wahr?«
    Er blieb jedoch vorläufig noch sitzen, nahm eine Birne und etwas
Wein an. Das Gespräch drehte sich um die Teuerung der Lebensmittel:
seit zwanzig Jahren hatten sich alle Preise verdoppelt; Herr
Bouchard entsann sich aus seiner Jugend, daß das Paar Tauben
fünfzehn Sous gekostet hatte. Sobald jedoch der Kaffee und die
Liköre aufgetragen waren, entfernte sich Frau Rougon unbemerkt. Die
Herren kehrten in den Salon zurück; man war ganz unter sich. Der
Oberst und Bouchard rückten selbst den Spieltisch an den Kamin und
waren alsbald ganz in ihre Karten und Berechnungen vertieft. August
hatte ein illustriertes Blatt vor sich, Du Poizat war
verschwunden.
    »Sehen Sie doch diese Karten!« sagte der Oberst plötzlich. »Ganz
außerordentlich! Nicht wahr?«
    Rougon trat herzu und nickte. Als er an seinen Platz
zurückgekehrt war und eben die Scheite im Kamin durchrütteln
wollte, kam der Bediente leise heran und

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