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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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erwartet
und befinde sich auf seinem zehn Kilometer entfernten Gute. Nach
ihm kamen noch sechs Herren: große Füße,
dicke Hände, hohe, massive Gestalten; der Präfekt stellte sie als
ausgezeichnete Mitglieder der statistischen Gesellschaft vor. Der
Gymnasialdirektor endlich brachte seine Frau mit, eine reizende,
achtundzwanzigjährige Blonde aus Paris, deren Toiletten Niort in
Aufruhr brachten. Sie beklagte sich vor Rougon bitter über die
Provinz.
    Inzwischen wurde Herr Kahn, der mit dem Minister und dem
Präfekten gespeist hatte, über die Feierlichkeit ausgefragt. Man
werde sich eine Meile weit vor die Stadt begeben, nach »den
Mühlen«, wie die Gegend hieß, an den Eingang eines Tunnels der Bahn
von Niort nach Angers, und Seine Exzellenz der Minister des Innern
werde selbst die erste Mine entzünden. Das schien rührend. Rougon
spielte den Gutmütigen. Er wolle nur das so mühsame Unternehmen
eines alten Freundes ehren. Übrigens betrachte er sich als einen
Pflegesohn des Kreises Deux-Sèvres, weil dieser ihn einst in die
gesetzgebende Versammlung geschickt habe. Der wirkliche Zweck
dieser ihm von Du Poizat lebhaft angeratenen Reise war jedoch der,
ihn seinen alten Wählern in seiner ganzen Macht zu zeigen, um seine
Kandidatur vollends zu sichern, falls er wieder einmal in den
gesetzgebenden Körper eintreten wollte.
    Durch die Fenster des Salons sah man die Stadt schwarz und
schlafend daliegen. Niemand kam mehr; man hatte des Ministers
Ankunft zu spät erfahren. Das war ein Triumph für die Eifrigen, die
sich dort befanden. Sie dachten nicht daran zu gehen, sie blähten
sich auf in der Freude, die ersten zu sein, die Se. Exzellenz in
kleiner Gesellschaft den Ihren nennen durften. Der
Bürgermeistergehilfe sagte zum soundso vielten Male mit klagender
Stimme, aus der man seinen geheimen Jubel heraushörte:
    »Mein Gott, wie wird es dem Herrn Bürgermeister leid tun! … Und dem Herrn Präsidenten! Und dem Herrn
Staatsanwalt und all den anderen Herren!«
    Gegen neun Uhr konnte man glauben, daß sich die ganze Stadt im
Vorzimmer befinde, so mächtig war das Geräusch von Tritten. Darauf
meldete ein Diener, der Herr Polizeizentralkommissar wünsche Seiner
Exzellenz seine Aufwartung zu machen. Und herein trat Gilquin,
prächtig herausstaffiert, in Frack, strohgelben Handschuhen und
Ziegenlederstiefeln. Du Poizat hatte ihn in seinem Kreise
untergebracht. Gilquin benahm sich sehr anständig; er hatte nur ein
etwas gewagtes Wiegen der Schultern beibehalten, sowie die
Angewohnheit, sich nicht von seinem Hute zu trennen, er stützte ihn
gewöhnlich leicht umgekehrt auf seine Hüfte, in der studierten
Haltung, wie er es auf einem Modekupfer gesehen.
    Er verneigte sich vor Rougon und murmelte mit übertriebener
Demut:
    »Ich empfehle mich der freundlichen Erinnerung Eurer Exzellenz,
die ich öfter in Paris zu sehen die Ehre hatte.«
    Rougon lächelte, und sie plauderten einen Augenblick. Dann begab
sich Gilquin in den Speisesaal, wo der Tee gereicht wurde. Er fand
dort Herrn Kahn damit beschäftigt, die Liste der für morgen
Eingeladenen nochmals durchzusehen. Im Salon redete man unterdessen
von der Größe der Regierung; Du Poizat stand neben Rougon und pries
das Kaiserreich, und beide tauschten Schmeicheleien darüber aus,
als hätten sie sich seiner als eines eigenen Werkes vor den
Maulaffen feilhaltenden Bewohnern von Niort zu rühmen.
    »Sind das Prachtkerle!« brummte Gilquin, durch die große offene
Tür diese Szene betrachtend.
    Indem er beständig Rum in seinen Tee goß, stieß er Herrn Kahn an
den Ellbogen. Dabei lachte er behaglich über denmageren und eifrigen Du Poizat, den er mit seinen
schiefen weißen Zähnen und seinem Gesichte, das dem eines Kindes im
Fieber glich und im Triumphe leuchtete, »sehr gelungen« fand.
    »Sie haben ihn nicht im Kreise ankommen sehen!« fuhr er leise
fort. »Ich war bei ihm. Er stampfte beim Gehen fest auf und schaute
wütend drein. Er muß die Leute hier gehörig im Magen haben. Seit er
Präfekt ist, macht er sich ein Vergnügen daraus, sich für seine
Kindheit zu rächen. Die Spießbürger, die ihn einst als armen
Schlucker gekannt haben, wagen es nicht mehr zu lächeln, wenn er
vorbeigeht – dafür stehe ich Ihnen. Er ist ein vollwichtiger
Präfekt, einer, der ganz bei der Sache ist. Er hat nicht die
geringste Ähnlichkeit mit diesem Langlade, den wir ersetzt haben,
einem Schürzenjäger, blond wie ein Mädchen… Wir haben Photographien
von sehr dekolletierten Damen

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