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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ein wohlgenährter Mann
von etwa vierzig Jahren, sehr sorgfältig gekleidet.
    »Ah, da sind Sie ja, mein Herr!« fuhr ihn der Minister an. »Die
Dinge können so unmöglich weiter gehen. Das sage ich Ihnen!«
    Auf und ab gehend, überhäufte er die Presse mit Schmähworten.
Sie verbreite Verwirrung und Sittenlosigkeit, sie treibe zu allen
Ausschreitungen an. Ihm seien die Straßenräuber noch lieber als die
Journalisten; ein Dolchstoß sei zu heilen, aber die Federstiche
seien vergiftet, und er fand andere, noch schlimmere Vergleiche.
Nach und nach fing er an sich selbst anzufeuern, seine Stimme
schwoll zum Donner an. Der Direktor ließ mit unterwürfigem und
bestürztem Gesicht das Gewitter über sich ergehen und fragte
endlich:
    »Wenn Exzellenz mir gütigst erklären
wollten, ich verstehe nicht recht, warum … «
    »Was, warum!« schrie Rougon aufgebracht.
    Er stürzte auf den Schreibtisch zu, breitete das Blatt darauf
aus und zeigte ihm die vom Rotstift ganz durchsetzten Spalten.
    »Keine zehn Zeilen sind einwandfrei! In Ihrem Leitartikel
scheinen Sie die Unfehlbarkeit der Regierung in Sachen der
Unterdrückung zu bezweifeln. In diesem Abschnitte auf der zweiten
Seite scheinen Sie auf mich anzuspielen, indem Sie von
Emporkömmlingen reden, die der Erfolg unverschämt macht. In den
Vermischten Nachrichten bringen Sie schmutzige Geschichten, alberne
Ausfälle gegen die höheren Klassen.«
    Der erschrockene Direktor legte die Hände zusammen und versuchte
eine Einrede.
    »Ich schwöre Eurer Exzellenz … Ich bin außer mir, daß
Exzellenz einen Augenblick glauben konnten … Ich, der ich für
Exzellenz eine so glühende Bewunderung hege.
    Aber Rougon hörte nicht auf ihn.
    »Und was das Schlimmste ist, mein Herr, jedermann kennt die
Bande, die Sie an die Regierung knüpfen. Wie können die anderen
Blätter uns achten, wenn die von uns bezahlten es nicht tun? Seit
heute früh haben alle meine Freunde mich auf diese
Abscheulichkeiten aufmerksam gemacht.«
    Darauf begann der Direktor mit Rougon um die Wette zu schreien.
Diese Stellen seien ihm nicht vor die Augen gekommen. Aber er werde
alle seine Redakteure vor die Tür setzen. Wenn Exzellenz es
wünsche, werde er jeden Morgen einen Abzug der Nummer einreichen.
Rougon lehnte es beruhigt ab, dazu habe er keine Zeit. Er drängte
ihn zur Tür, als ihm noch etwas einfiel.
    »Noch eins. Ihre Erzählung ist gemein. Diese
wohlerzogene Frau, die ihren Mann betrügt, ist ein
verabscheuungswürdiger Vorwurf gegen die gute Erziehung. Man darf
nicht sagen, daß eine anständige Frau einen Fehltritt begehen
kann.«
    »Die Geschichte gefällt sehr!« murmelte der Direktor, von neuem
besorgt. »Ich habe sie gelesen und sehr interessant gefunden!«
    »So, Sie haben Sie gelesen! Hat diese Unglückliche denn
schließlich wenigstens Gewissensbisse?«
    Der Direktor rieb sich verwirrt die Stirn und suchte sich zu
besinnen.
    »Gewissensbisse? Nein, ich glaube nicht.«
    Rougon hatte die Tür geöffnet und schrie, als er sie hinter ihm
schloß:
    »Sie muß durchaus Gewissensbisse haben. Verlangen Sie vom
Verfasser, daß er ihr Gewissensbisse beilege!«

Kapitel 10
     
    Rougon hatte an Du Poizat und Herrn Kahn geschrieben, daß man
ihm die Unbequemlichkeiten eines festlichen Empfanges an den Toren
von Niort ersparen möge. Er kam Samstag abend gegen sieben Uhr an
und begab sich geradeswegs zur Präfektur in der Absicht, bis zum
folgenden Mittag auszuruhen, denn er war sehr müde. Nach dem Essen
kamen jedoch einige Gäste. Die Nachricht von der Ankunft des
Ministers mußte schon die Stadt durcheilt haben. Die Tür eines dem
Speisesaale benachbarten Salons wurde geöffnet, und eine Art
Empfang begann. Rougon stand am Fenster, mußte sein Gähnen
unterdrücken und die Begrüßungen freundlich beantworten.
    Ein Abgeordneter des Bezirkes, der Advokat, der die
Regierungskandidatur des Herrn Kahn geerbt hatte, erschien zuerst.
Er war ganz außer sich, in Überzieher und hellen Beinkleidern, und
entschuldigte sich damit, daß er eben zu Fuß von einem seiner Güter
komme; trotzdem habe er Seine Exzellenz sofort begrüßen wollen.
Dann kam ein kleiner dicker Mensch, in einen zu engen Frack
eingeschnürt, in weißen Handschuhen und mit förmlicher,
niedergeschlagener Miene, der erste Gehilfe des Bürgermeisters. Er
war soeben von seiner Magd in Kenntnis gesetzt worden und
wiederholte immerfort, der Herr Bürgermeister werde untröstlich
sein, er habe Seine Exzellenz erst für den folgenden Tag

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