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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ihnen gewisse
Anweisungen mündlich zu geben … Sie wissen, daß die
revolutionäre Partei wieder das Haupt erhebt. Wir sind haarbreit an
einer furchtbaren Katastrophe vorbeigekommen. Das Land will endlich
beruhigt sein und sich unter dem kraftvollen Schutze der Regierung
wissen. Seine Majestät der Kaiser ist
seinerseits entschlossen, Exempel festzusetzen; denn bisher hat man
seine Güte gröblichst mißbraucht.
    Er sprach langsam, in seinen Sessel zurückgelehnt und mit einem
schweren Siegel mit Achatgriff spielend. Der Präfekt bestätigte
jeden Satz mit lebhaftem Kopfnicken.
    »Ihr Departement«, fuhr der Minister fort, »ist eines der
schlimmsten. Die republikanische Seuche … «
    »Ich tue alles, was in meinen Kräften steht«, wollte der Präfekt
sagen.
    »Lassen Sie mich ausreden … Darum müssen wir dort mit
Nachdruck auftreten. Um mich hierüber mit Ihnen zu verständigen,
habe ich Sie zu sprechen gewünscht. Wir haben uns hier mit einer
Arbeit beschäftigt und eine Liste aufgestellt … «
    Er suchte zwischen seinen Papieren, ergriff einen Band und
blätterte darin.
    »Man hat die nötig erscheinende Anzahl von Verhaftungen auf ganz
Frankreich verteilen müssen. Die auf jedes Departement entfallende
Zahl entspricht dem Eindrucke, der hervorgebracht werden
soll … Verstehen Sie unsere Absichten recht. Also im
Departement Haute-Marne, wo es nur eine verschwindende Minderheit
von Republikanern gibt, genügen drei Verhaftungen. Das Departement
Meuse hingegen erfordert deren fünfzehn. Was Ihr Departement
betrifft, die Somme, nicht wahr? Sagen wir, die Somme … «
    Er blätterte weiter und blinzelte dabei. Endlich erhob er den
Kopf und sah dem Beamten ins Gesicht.
    »Herr Präfekt, Sie haben zwölf Verhaftungen vorzunehmen.«
    Das blasse Männchen verbeugte sich, und wiederholte:
    »Zwölf Verhaftungen. Ich habe Eure Exzellenz vollkommen
verstanden.«
    Aber er war verlegen und konnte eine leichte Unruhe nicht verbergen. Als der Minister sich nach einigen
Minuten weiterer Unterhaltung erhob, um ihn zu verabschieden,
entschloß er sich zu fragen:
    »Könnten Eure Exzellenz mir die Persönlichkeiten
bezeichnen?«
    »Oh, verhaften Sie, wen Sie wollen! … Um solche
Kleinigkeiten kann ich mich nicht bekümmern. Woher soll ich die
Zeit nehmen? Reisen Sie noch heute abend ab und beginnen Sie morgen
mit den Verhaftungen … Ich rate Ihnen, hoch zu greifen. Sie
haben da genug Advokaten, Kaufleute und Apotheker, die sich mit
Politik beschäftigen. Stecken Sie mir diese ganze Gesellschaft ein.
Das macht mehr Eindruck.«
    Der Präfekt fuhr sich mit besorgter Gebärde über die Stirn, in
seinem Gedächtnisse suchend, um Advokaten, Kaufleute, Apotheker zu
finden. Er nickte immer wieder beistimmend. Aber Rougon war ohne
Zweifel mit seiner schwankenden Haltung unzufrieden.
    »Ich darf Ihnen nicht verhehlen,« fuhr er fort, »daß Seine
Majestät jetzt mit dem Verwaltungspersonal sehr unzufrieden ist. Es
könnte bald ein starker Präfektenschub stattfinden. Wir brauchen in
der gegenwärtigen bedenklichen Lage unbedingt zuverlässige
Leute.«
    Das wirkte wie ein Peitschenhieb.
    »Exzellenz können auf mich rechnen!« rief der Präfekt. »Ich habe
meine Leute schon gefunden: ein Apotheker zu Péronne, ein
Zeughändler und ein Papierfabrikant zu Doullens; was die Advokaten
betrifft, die fehlen nicht, das ist die reine Pest … Oh, ich
versichere Eurer Exzellenz, ich werde das Dutzend schon
finden! … Ich bin ein alter Diener des Kaiserreiches!«
    Er redete noch davon, daß das Land gerettet werden müsse, und
ging mit einer sehr tiefen Verbeugung. Der Ministerwiegte seinen mächtigen Körper und schaute
nachdenklich hinter ihm drein; er traute den kleinen Leuten nicht.
Ohne sich zu setzen, strich er die Somme mit Rotstift aus der
Liste, wie es schon mit mehr als zwei Dritteln der Departements
geschehen war. Im Kabinett herrschte noch das dumpfe Schweigen der
grünen, bestaubten Vorhänge und der Fettgeruch, mit dem Rougons
Wohlbeleibtheit es zu erfüllen schien.
    Als er Merle wieder klingelte und dabei das ganze Vorzimmer voll
Menschen sah, fuhr er auf. Er glaubte sogar die beiden Damen am
Tische wieder zu erkennen.
    »Ich habe Ihnen aufgetragen, die ganze Gesellschaft zu
verabschieden!« rief er. »Ich gehe, ich kann nicht mehr
empfangen.«
    »Der Herr Direktor der ›Volksstimme‹ ist da«, murmelte
Merle.
    Rougon hatte ihn vergessen. Er ballte die Fäuste hinter dem
Rücken und befahl, ihn einzulassen. Es war

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