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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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war noch nicht erschienen. Die Herren
plauderten fast zehn Minuten lang, am Fenster oder am Tische
stehend. Zwei von ihnen machten sehr griesgrämige Gesichter, sie
waren einander so verfeindet, daß sie nie ein Wort wechselten; die
übrigen dagegen machten es sich mit liebenswürdiger Miene bequem in
Erwartung der wichtigen Verhandlungen. Paris beschäftigte sich
damals eben mit einer Gesandtschaft, die aus dem äußersten Osten
gekommen war mit fremdartigen Trachten und seltsamen
Begrüßungsformen. Der Minister des Äußeren erzählte von einem
Besuche, den er tags zuvor beim Führer dieser Gesandtschaft
gemacht; obwohl er seine ernste Haltung bewahrte, klang doch ein
leiser Spott aus seinen Worten heraus. Dann wandte sich die
Unterhaltung frivoleren Dingen zu: der Staatsminister berichtete
über den Gesundheitszustand einer Tänzerin von der Oper, die sich
fast ein Bein gebrochen hatte. Aber selbst hier, wo sie sich gehen
ließen, standen diese Herren gleichsam beständig auf der Wacht,
suchten nach gewissen Wendungen, fingen halbe Worte auf, belauerten
einander lächelnd und wurden plötzlich ernst, sobald sie sich
überwacht fühlten.
    »Es ist also eine einfache Verstauchung?« fragte Delestang, der
sich sehr für Tänzerinnen interessierte.
    »Ja, eine Verstauchung«, wiederholte der Staatsminister. »Die
Arme wird deshalb vierzehn Tage lang das Zimmer hüten müssen … Sie schämt sich sehr, gefallen zu
sein.«
    Auf ein leichtes Geräusch wandten sich die Köpfe um. Alle
verneigten sich; der Kaiser war eingetreten. Er stützte sich einen
Augenblick auf die Lehne seines Sessels und fragte mit seiner
matten, schleppenden Stimme:
    »Geht es ihr besser?«
    »Viel besser, Majestät«, antwortete der Minister, sich von neuem
verneigend. »Ich habe heute früh Nachricht über sie bekommen.«
    Auf eine Handbewegung des Kaisers nahmen die Minister ihre
Plätze am Tische ein. Es waren ihrer neun; einige breiteten Papiere
vor sich aus, andere lehnten sich zurück und betrachteten ihre
Nägel. Alle schwiegen. Der Kaiser schien leidend; er drehte langsam
seine Schnurrbartspitzen zwischen den Fingern, sein Gesicht sah
matt und bleich aus. Da niemand sprach, schien er sich endlich zu
besinnen und nahm das Wort:
    »Meine Herren, die Sitzung des gesetzgebenden Körpers wird
demnächst geschlossen … «
    Zunächst wurde über das Budget gesprochen, das die Kammer in
fünf Tagen angenommen hatte. Zum ersten Male fühlte sie sich zur
Kritik aufgelegt. So wünschte der Berichterstatter, daß die
Staatsschuldentilgung ihren regelmäßigen Fortgang nehme, daß die
Regierung sich mit den ihr bewilligten Krediten begnüge und nicht
beständig mit Nachforderungen komme. Anderseits hatten sich einige
Abgeordnete darüber beklagt, daß der Staatsrat ihren Bemerkungen so
wenig Gewicht beilege, als sie gewisse Ausgaben verringert zu sehen
wünschten; einer hatte gar für den gesetzgebenden Körper das Recht
beansprucht, das Budget selbst zu entwerfen.
    »Nach meiner Ansicht ist es nicht angebracht, diese
Ansprüche zu beachten«, sagte der
Finanzminister schließlich. »Die Regierung befleißigt sich der
größten Sparsamkeit, so daß die Budgetkommission viel Mühe gehabt
hat, erbärmliche zwei Millionen auszuspüren, die sie streichen
konnte. Doch halte ich es für klug, drei Nachforderungen, die jetzt
geprüft werden, noch zu verschieben. Ein Ausgleichen innerhalb dar
verschiedenen Fonds wird uns vorläufig die nötigen Mittel
verschaffen, und später wird die Lage endgültig geregelt.«
    Der Kaiser nickte zustimmend. Er schien gar nicht zuzuhören,
sondern schaute mit stieren Augen wie geblendet in das helle Licht,
das durch das Mittelfenster ihm gegenüber hereinfiel. Die übrigen
Minister stimmten nach dem Beispiele des Kaisers ebenfalls zu, ohne
jedoch zu reden. Ein Weilchen hörte man nur ein leises Rascheln;
der Justizminister blätterte in einem Hefte von nur wenigen Seiten,
das vor ihm auf dem Tische lag. Er warf seinen Kollegen einen
fragenden Blick zu und begann:
    »Majestät, ich habe hier den Entwurf einer Denkschrift über die
Gründung eines neuen Adels … Es sind nur einfache Notizen,
aber ich hielt es für gut, ehe wir weitergingen, sie hier
vorzulesen, um die Sache allseitig zu beleuchten.«
    »Gewiß, lesen Sie, Herr Justizminister«, unterbrach ihn der
Kaiser. »Sie haben recht.«
    Dabei wandte er sich halb herum, um den Minister, während dieser
las, beobachten zu können. Er wurde erregt, ein gelbliches

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