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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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seine breiten Schultern ganz aus der Form gebracht;
sein schlecht gebürsteter Hut zeigte noch alte Regenspuren. Sie
erinnerte sich, im letzten Monat ein Pferd bei einem Händler
gekauft zu haben, der ihm glich. Sie lächelte wieder, aber etwas
verächtlich.
    »Nun?« fragte er verdrossen, in dieser Weise
gemustert zu werden.
    »Ich sehe Sie an!« versetzte sie. »Ist das etwa nicht
erlaubt? … Fürchten Sie gefressen zu werden?«
    Sie sagte diese Worte in herausforderndem Tone und zeigte dabei
ihre weißen Zähne. Er aber scherzte:
    »Das ginge nicht, ich bin zu dick.«
    »Oh, wenn man sehr hungrig wäre!« sagte sie ernst, nachdem sie
ihren Appetit geprüft zu haben schien.
    Der Landauer fuhr endlich durch das Tor der Stummen.
    Es war eine plötzliche Erweiterung des Gesichtskreises, als sie
aus den engen Gassen in das zarte Grün des Gehölzes tauchten! Der
Morgen war prächtig, er übergoß die Rasenflächen weithin mit einem
sanften Glanze und das junge Grün der Bäume mit einem lauen Hauche.
Sie ließen den Damhirschpark zur Rechten und schlugen den Weg nach
Saint-Gloud ein. Hier rollte der Wagen auf dem sandigen Wege so
glatt und eben dahin wie ein Schlitten über den Schnee.
    »Nicht wahr, dies Pflaster ist angenehm?« führ Clorinde fort und
streckte sich behaglich. »Hier kann man aufatmen, kann man
plaudern … Haben Sie Nachrichten von unserem Freunde Du
Poizat?«
    »Ja«, versetzte Rougon. »Es geht ihm gut.«
    »Ist er immer noch zufrieden mit seinem Kreise?«
    Er machte eine unbestimmte Bewegung, um sich der Antwort zu
entschlagen. Die junge Frau mußte wissen, daß der Präfekt von
Deux-Sèvres ihm durch die Härte seiner Verwaltung Verdruß zu
bereiten begann. Sie fragte nicht weiter, redete von Herrn Kahn und
Frau Correur, indem sie ihn mit einer gewissen boshaften Neugier
nach Einzelheiten über seine Reise nach Niort befragte. Dann rief
sie plötzlich:
    »Übrigens! Gestern bin ich dem Oberst
Jobelin und seinem Vetter, Herrn Bouchard begegnet. Wir haben von
Ihnen gesprochen … Ja, wir haben von Ihnen gesprochen.«
    Er zuckte die Achseln, ohne ein Wort zu erwidern. Dann rief sie
ihm die Vergangenheit zurück.
    »Sie erinnern sich unserer hübschen kleinen Abendgesellschaften
in der Marbeufstraße. Jetzt sind Sie zuviel beschäftigt, niemand
kann Ihnen nahe kommen. Ihre Freunde beklagen sich darüber und
behaupten, daß Sie sie vergäßen … Sie sehen, ich bin kühn
genug, alles zu sagen. Sie gelten als treuloser Freund, mein
Lieber!«
    Während der Wagen eben jetzt zwischen den beiden Seen
hindurchfuhr, kam ihm eine Kutsche entgegen, die nach Paris
zurückkehrte. Man sah ein rohes Gesicht sich darin zurückwerfen,
ohne Zweifel um einen Gruß zu vermeiden.
    »Aber das ist ja Ihr Schwager!« rief Clorinde.
    »Ja, er ist leidend«, erwiderte Rougon lächelnd. »Sein Arzt hat
ihm Morgenfahrten verordnet.«
    Plötzlich wurde er mitteilsam und fuhr fort, während der Wagen
auf der sanft gekrümmten Straße unter den alten Bäumen
dahinrollte:
    »Was wollen Sie! ich kann ihnen doch nicht das Blaue vom Himmel
schenken! … So hat dieser Beulin d'Orchères sich darauf
versessen, Justizminister zu werden. Ich habe das Unmögliche
versucht, beim Kaiser angeklopft, ohne jedoch etwas zu erreichen.
Der Kaiser fürchtet sich vor ihm, glaube ich. Das ist doch nicht
meine Schuld? … Beulin d'Orchère ist erster Präsident. Das
könnte ihm doch bis auf weiteres genügen, zum Teufel! Er vermeidet
es, mich zu grüßen! Er ist ein Narr.«
    Jetzt saß Clorinde mit niedergeschlagenen Augen mäuschenstill
da; ihre Finger spielten mit den Troddeln ihresSonnenschirmes. Sie ließ ihn reden, ohne ein einziges
seiner Worte zu verlieren.
    »Die anderen sind kein Haarbreit vernünftiger. Wenn der Oberst
und Bouchard sich beklagen, tun sie sehr unrecht, denn ich habe
schon zuviel für sie getan … Ich setze mich für alle meine
Freunde ein. Es sitzt ihrer ein Dutzend auf meinen Schultern – eine
schöne Last! Solange sie mir nicht die Haut vom Leibe gezogen
haben, sind sie nicht zufrieden.«
    Nach einer Weile fuhr er mit gutmütigem Lachen fort:
    »Wenn sie ihnen durchaus nötig ist, würde ich ihnen auch meine
Haut geben … Wenn man die Hände einmal geöffnet hat, kann man
sie nicht mehr schließen. Trotz allem Bösen, das meine Freunde über
mich reden, verbringe ich meine Tage damit, für sie eine Menge
Gunstbezeigungen zu erbitten.«
    Er berührte ihr Knie und zwang sie so, ihn anzublicken. Dann
fügte er

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