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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Feuer
brannte in seinen grauen Augen.
    Die Frage betreffs des neuen Adels beschäftigte damals den Hof
sehr. Die Regierung hatte damit begonnen, daß sie dem
gesetzgebenden Körper einen Gesetzentwurf vorlegte, der jeden mit
Geld- und Gefängnisstrafen belegte, der sich widerrechtlich
irgendeinen Adelstitel beilegte. Es handelte sich darum, die alten Titel anzuerkennen und
so die Schöpfung neuer vorzubereiten. Dieser Gesetzentwurf hatte in
der Kammer einen leidenschaftlichen Redekampf hervorgerufen;
Abgeordnete, die dem Kaiserreich sehr ergeben waren, hatten
gerufen, in einem demokratischen Staate könne es keinen Adel geben,
und bei der Abstimmung waren dreiundzwanzig Stimmen dagegen. Der
Kaiser jedoch hielt an diesem Lieblingsplane fest, und er selbst
hatte dem Justizminister einen umfassenden Entwurf angegeben.
    Die Denkschrift begann mit einer geschichtlichen Einleitung.
Darauf wurde das künftige System weitläufig auseinandergesetzt: die
Titel sollten nach gewissen Amtsstufen eingeteilt werden, damit der
neue Adel allen Bürgern zugänglich sei; eine demokratische
Einrichtung, die den Justizminister sehr zu begeistern schien.
Endlich kam der Entwurf des Dekretes. Artikel 2 las er mit
erhobener und verlangsamter Stimme vor:
    »Der Grafentitel wird nach fünfjährigem Dienste oder nach der
Ernennung zum Großkreuz der Ehrenlegion den Folgenden verliehen:
Unseren Ministern und den Mitgliedern unseres geheimen Rates, den
Kardinälen und den Marschällen, den Admirälen und den Senatoren,
unseren Gesandten und den Divisionsgenerälen, die selbständige
Kommandos geführt haben.«
    Er hielt inne und warf dem Kaiser einen fragenden Blick zu, ob
er niemanden vergessen habe. Seine Majestät besann sich, den Kopf
etwas auf die rechte Schulter gesenkt. Schließlich murmelte er:
    »Ich glaube, die Präsidenten des gesetzgebenden Körpers und des
Staatsrates müssen mit einbezogen werden.«
    Der Justizminister nickte lebhaft und fügte auf dem Rande seines
Entwurfes eiligst eine Bemerkung hinzu. Als er eben fortfahren
wollte, machte ihn der Minister des öffentlichen Unterrichtes auf noch eine Lücke
aufmerksam. Er begann:
    »Die Erzbischöfe … «
    »Verzeihen Sie,« erwiderte der vortragende Minister trocken,
»die Erzbischöfe sollen nur Barone werden. Lassen Sie mich das
Dekret zu Ende lesen.«
    Er fand sich nicht in seinen Blättern zurecht und suchte lange
nach einem Blatte, das sich unter die übrigen verirrt hatte. Rougon
saß aufrecht, den Hals zwischen seinen plumpen Bauernschultern
vergraben, kaum merklich lächelnd, als er sich zur Seite wandte,
sah er seinen Nachbar, den Staatsminister, den letzten Sproß einer
alten normannischen Familie, ebenfalls verächtlich die Lippen
kräuseln. Beide nickten sich leicht zu. Der Emporkömmling und der
Edelmann hatten sich verstanden.
    »Ah hier!« fuhr endlich der Sprecher fort: »Artikel drei. Der
Baronstitel wird verliehen: erstens den Abgeordneten, die dreimal
die Ehre gehabt haben, von ihren Mitbürgern in den gesetzgebenden
Körper gewählt zu werden; zweitens den Staatsräten, nachdem sie
acht Jahre im Dienst gewesen sind; drittens dem ersten Präsidenten
und dem Generalanwalte am Kassationshofe, dem ersten Präsidenten
und dem Generalanwalte am Rechnungshofe, den Divisionsgenerälen und
Vizeadmiralen, den Erzbischöfen und den bevollmächtigten Ministern,
nach fünfjährigem Dienste oder nachdem sie den Grad eines
Kommandeurs der Ehrenlegion erlangt haben.
    So ging es weiter. Die ersten Präsidenten und die
Oberstaatsanwälte der kaiserlichen Gerichtshöfe, die
Brigadegeneräle und die Konteradmirale, die Bischöfe, selbst die
Bürgermeister der Hauptorte mit Präfekturen erster Klasse sollten
Barone werden; nur verlangte man von ihnen zehn Dienstjahre.
    »Jeder wird also Baron«, sagte Rougon halblaut.
    Seine Kollegen, die ihn als einen schlecht
erzogenen Menschen anzusehen gewohnt waren, machten ernste
Gesichter, um ihm anzudeuten, daß sie diesen Scherz sehr übel
angebracht fänden. Der Kaiser schien es nicht gehört zu haben. Als
der Vortrag jedoch beendet war, fragte er:
    »Was halten Sie von dem Entwurf, meine Herren?«
    Sie zögerten zu antworten und warteten auf eine direktere
Frage.
    »Herr Rougon,« fuhr Seine Majestät fort, »was denken Sie von dem
Entwürfe?«
    »Mein Gott, Majestät,« versetzte der Minister des Innern mit
seinem ruhigen Lächeln, »ich halte nicht sehr viel davon. Er birgt
die schlimmste Gefahr, nämlich die der Lächerlichkeit.

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