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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gespräch auf die Politik im allgemeinen. Rougon witzelte über
die parlamentarische Regierung, die er den »Misthaufen der
Mittelmäßigkeiten« nannte. Die Kammer erfreute sich nach seiner
Ansicht einer widersinnigen Freiheit. Man spreche dort viel zu
viel. Frankreich müsse durch eine gut gebaute Maschine regiert
werden, der Kaiser oben als Triebkraft, die Körperschaften und die
Beamten unten als Räderwerk. Und während er so sein System in
übertriebener Weise darstellte, lachte er
über die Dummköpfe, die eine starke Regierung verlangen, daß ihm
der Bauch wackelte.
    »Aber«, fiel Herr Kahn ein, »der Kaiser oben und alle anderen
unten, das ist nur für den Kaiser angenehm!«
    »Wenn man sich langweilt, geht man,« versetzte Rougon ruhig und
fügte dann lächelnd hinzu:
    »Man wartet bis es einem wieder Vergnügen macht und kehrt dann
zurück!«
    Es folgte ein längeres Schweigen. Herr Kahn strich sich
befriedigt den Bart; er wußte, was er wissen wollte. Er hatte tags
zuvor in der Kammer das Richtige getroffen, als er vermutete, daß
Rougon, als er seinen Einfluß in den Tuilerien abnehmen sah, ging,
ehe er gegangen wurde, und sich anschicke, die Haut zu wechseln.
Die Geschichte des Rodriguez bot ihm eine herrliche Gelegenheit,
sich als ehrlichen Mann aufzuspielen.
    »Und was sagen die Leute?« fragte Rougon, um das Schweigen zu
brechen.
    »Was mich betrifft,« versetzte Du Poizat, »so bin ich eben erst
hier angekommen. Indessen habe ich in einem Kaffeehause einen mit
einem Orden geschmückten Herrn Ihren Rücktritt lebhaft billigen
hören.«
    Herr Kahn seinerseits erklärte:
    »Béjuin war gestern sehr betrübt; er liebt Sie sehr. Er ist
etwas beschränkt, aber sehr verläßlich. Selbst der kleine La
Rouquette schien mir sehr anständig; er äußerte sich höchst günstig
über Sie.«
    So redete man weiter über diesen und jenen. Rougon fragte ohne
die geringste Befangenheit, ließ sich von dem Abgeordneten genau
Bericht erstatten und erfuhr von ihm haarklein, welche Haltung die
Kammer ihm gegenüber beobachtete.
    Du Poizat, der schwer darunter litt, daß er
gar keine Neuigkeit auszukramen hatte, unterbrach den Sprecher mit
den Worten:
    »Heute nachmittag streife ich in der Stadt umher, um Ihnen
morgen früh eine Menge Nachrichten mitzuteilen.«
    »Beiläufig,« rief Herr Kahn lachend, »ich habe vergessen, Ihnen
von Combelot zu erzählen! … In meinem Leben habe ich keinen so
arg verlegenen Menschen gesehen.«
    Er verstummte; Rougon hatte ihn augenzwinkernd auf Delestang
aufmerksam gemacht, der, auf einem Stuhle stehend und ihnen den
Rücken zuwendend, die im oberen Teile eines Schrankes angehäuften
Zeitungen abräumte. Herr von Combelot hatte eine Schwester
Delestangs geheiratet, und dieser empfand seit Rougons Entlassung
seine Verwandtschaft mit einem Kammerherrn unangenehm. Er wollte
den Schwerenöter spielen und wandte sich lächelnd mit der Frage
um:
    »Warum fahren Sie nicht fort? … Combelot ist ein Narr.
Heraus ist's!«
    Diese gemütliche Hinrichtung eines Schwagers erheiterte die
Herren ungemein. Delestang gewahrte seinen Erfolg und ging so weit,
sich über den Bart Combelots lustig zu machen, über diesen
herrlichen schwarzen Bart, der in der Frauenwelt so berühmt war.
Dann warf er ein Paket Zeitungen auf den Teppich und sagte,
unvermittelt ernst werdend:
    »Was die einen betrübt, erfreut die anderen.«
    Diese Wahrheit brachte die Unterhaltung wieder auf Herrn de
Marsy. Rougon, über eine Mappe gebeugt und jede Tasche eingehend
musternd, ließ es ruhig geschehen, daß seine Freunde sich das Herz
erleichterten. Sie sprachen über Marsy mit der Heftigkeit von
Politikern, die sich auf einen Gegner
stürzen. Es regnete Schimpfworte, abscheuliche Anklagen,
Wahrheiten, die zu Lügen aufgebauscht wurden. Du Poizat, der Marsy
vor dem Kaiserreich gekannt hatte, versicherte, daß er sich damals
von seiner Geliebten habe aushalten lassen, einer Baronin, deren
Diamanten er im Verlaufe eines Vierteljahres verzehrt habe. Herr
Kahn behauptete, in Paris gebe es nicht eine faule Sache, in der
Herr de Marsy nicht seine Hand im Spiele habe. Sich gegenseitig
erhitzend, tischten sie immer stärkere Dinge auf: Bei einem
Bergwerksunternehmen habe Marsy ein Trinkgeld von
fünfzehnhunderttausend Franken eingesackt; im letzten Monat habe er
der kleinen Florence von der Komischen Oper ein Haus geschenkt,
eine Kleinigkeit von sechsmalhunderttausend Franken, seinen Anteil
am Schacher mit den Aktien der

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