Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Ferner hoffte er bei der Begebung der
Aktien auf einen ergiebigen Fischzug im Trüben. Herr Kahn
entfaltete demnach eine erstaunliche Tätigkeit, um die Genehmigung
zum Bau zu erhalten; durch Rougon nachdrücklich unterstützt, war er
nahe daran, sie zu bekommen, da bot Herr de Marsy, Minister des
Innern, ärgerlich, daß er nicht bei dem glänzenden Geschäfte, das
er witterte, beteiligt war, und um obendrein Rougon zu ärgern,
seinen ganzen Einfluß auf, diese Genehmigung zu hintertreiben. Er
hatte sogar mit der Kühnheit, die ihn so gefürchtet machte, die
Genehmigung durch den Minister der öffentlichen Arbeiten dem
Direktor der Westbahngesellschaft antragen lassen, und verbreitete
das Gerücht, daß diese Gesellschaft allein eine Flügelbahn bauen
könne, deren Arbeitenzuverlässige Bürgschaften
forderten. Herr Kahn lief Gefahr, zugrunde gerichtet zu werden.
Rougons Sturz vollendete seinen Ruin.
    »Gestern habe ich erfahren,« sagte er, »daß ein Ingenieur der
Gesellschaft beauftragt ist, eine neue Linie zu entwerfen. Haben
Sie von der Sache gehört, Du Poizat?«
    »Gewiß!« versetzte der Unterpräfekt. »Die betreffenden Arbeiten
sind schon in Angriff genommen. Man will den Bogen vermeiden, den
Sie machen, um Bressuire zu berühren. Die Linie soll schnurgerade
über Parthenay und Thouars gehen.«
    Der Abgeordnete sah entmutigt aus und brummte:
    »Das ist der reine Hohn! Was würde es ihnen schaden, wenn die
Bahn an meinem Werke vorbeigeht? Aber ich werde es nicht dulden,
ich werde eine Denkschrift gegen ihren Plan verfassen… Ich gehe mit
Ihnen nach Bressuire zurück.«
    »Darauf warten Sie lieber nicht!« riet ihm Du Poizat lächelnd.
»Ich werde wahrscheinlich mein Entlassungsgesuch einreichen.«
    Herr Kahn sank in seinen Sessel, als habe er den letzten Schlag
erhalten. Den Bart mit beiden Händen zausend, sah er Rougon flehend
an. Dieser hatte seine Mappen liegen lassen und hörte mit den
Ellbogen auf dem Schreibtisch zu.
    Endlich sagte er mit rauher Stimme:
    »Ihr wollt einen Rat, nicht wahr? Nun denn, stellt euch tot,
liebe Freunde, sucht die Sachen in ihrem jetzigen Stande zu
erhalten und wartet, bis wir wieder die Herren sind… Du Poizat wird
seine Entlassung nehmen, sonst wird man sie ihm geben, ehe vierzehn
Tage vergehen. Sie, Kahn, schreiben dem Kaiser und suchen durch
alle Mittel die Erteilung der Bauerlaubnis an die
Westbahngesellschaft zu verhindern; Sie werden sie jetzt gewiß
nicht erhalten, aber solange sie kein
anderer hat, kann sie Ihnen später zufallen.«
    Als die beiden nickten, fuhr er noch offenherziger fort:
    »Mehr kann ich augenblicklich nicht für euch tun. Ich liege am
Boden, laßt mir Zeit, mich zu erheben… Sehe ich traurig aus?
Durchaus nicht. Also tut mir den Gefallen und macht nicht ein
Gesicht, als ob ihr meinem Sarge folgtet… Ich für mein Teil bin
sehr froh, in das Privatleben zurückzukehren. Endlich kann ich mich
erholen!«
    Er atmete tief auf und wiegte mit gekreuzten Armen seine
mächtige Gestalt hin und her. Herr Kahn sprach nicht mehr von
seiner Angelegenheit, sondern nahm die sorglose Miene Du Poizats
an, um eine vollkommene Seelenruhe zu zeigen. Delestang hatte einen
neuen Aktenschrank in Angriff genommen und machte dabei nicht mehr
Geräusch, als einige Mäuse, die zwischen den Papierbündeln ihr
Spiel treiben. Die Sonne, die auf dem roten Teppich langsam
vorrückte, warf auf den Schreibtisch einen Streif gelben Lichtes,
in dem die Kerze noch immer trübe brannte.
    Inzwischen hatte sich ein vertrauliches Gespräch entsponnen.
Rougon band wieder Pakete zusammen und versicherte, die Politik
passe nicht für ihn. Er lächelte dabei gutmütig, während seine
Lider wie müde den Glanz seiner Augen verdeckten. Er hätte gern
weite Ländereien, um sie nach seiner Weise zu bebauen, mit
Viehherden, Pferden, Rindern, Schafen und Hunden, deren
unumschränkter Herr er sei. Er erzählte, daß es früher in Plassans,
als er noch ein unbedeutender Advokat war, sein Hauptvergnügen
gewesen, in der Bluse hinauszuziehen und in den Schluchten des
Seillegebirges Adler zu jagen. Er nannte sich einen Bauer, sein
Großvater habe noch Spaten und Spitzhacke gehandhabt. Dann tat er,
als sei er der großen Welt überdrüssig. Die
Macht langweile ihn; er wolle den Sommer auf dem Lande verleben.
Niemals habe er sich leichter gefühlt als diesen Morgen; und er
reckte sich gewaltig auf, als habe er eine Last abgeworfen.
    »Was hatten Sie hier als Präsident? Achtzigtausend

Weitere Kostenlose Bücher