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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Franken?«
fragte Herr Kahn; als jener nickte, fuhr er fort:
    »Und jetzt bleiben Ihnen nur die dreißigtausend Franken als
Senator?«
    Was fragte Rougon danach? Er könne von einer Kleinigkeit leben,
er habe kein Laster; das war keine Lüge. Er war weder Spieler, noch
Schürzenjäger, noch Schlemmer. Er schwärmte dafür, sein eigener
Herr zu sein, weiter nichts. Und er kam darauf zurück, ein Gut zu
pachten, wo alles Vieh ihm gehorchen müsse. Es war sein höchstes
Ziel, eine Peitsche zu schwingen und zu gebieten; überlegen, klüger
und stärker zu sein. Allmählich wurde er lebhafter, sprach von den
Tieren, als seien sie Menschen, die Menge verlange die Rute, die
Hirten trieben ihre Herden nur mit Steinwürfen vorwärts. Er schien
ein anderer zu werden; seine dicken Lippen schwollen förmlich von
Verachtung an, sein ganzes Gesicht strotzte von Kraft. In der Faust
schwang er ein Aktenbündel, als wolle er es den beiden an den Kopf
werfen, so daß sie etwas beunruhigt dieser Erregung
gegenüberstanden.
    »Der Kaiser hat sehr unklug gehandelt«, murmelte Du Poizat.
    Plötzlich beruhigte sich Rougon. Sein Gesicht wurde wieder grau,
sein Körper sank in die schlaffe Haltung eines Fettwanstes zurück.
Er begann den Kaiser mit Lobsprüchen zu überhäufen: er habe einen
überlegenen Scharfsinn, eine unglaubliche Gedankentiefe. Du Poizat
und Herr Kahn wechselten einen Blick. Aber Rougon überbot sich in
Beteuerungen seiner Ergebenheit; er sei stets stolz darauf
gewesen, nur ein Werkzeug in den Händen
Napoleons III. zu sein. Er erschöpfte endlich die Geduld Du
Poizats, der ein Mann von großer Lebhaftigkeit und Empfindlichkeit
war, und es entspann sich ein Wortstreit. Du Poizat redete in
herben Ausdrücken von allem, was er und Rougon von 1848–1851 für
das Kaisertum getan hatten, als sie bei Frau Melanie Correur
Hungerpfoten sogen. Er erzählte von den schrecklichen Tagen
besonders während des ersten Jahres, wo sie durch den Pariser
Schmutz stampfen mußten, um Anhänger zu werben. Später hätten sie
ihre Haut zwanzigmal zu Markte getragen. Hatte sich nicht Rougon am
Morgen des zweiten Dezember an der Spitze eines Linienregiments des
Palais Bourbon bemächtigt? War das nicht ein Spiel um Kopf und
Kragen? Heute opfert man ihn höfischen Ränken.
    Aber Rougon widersprach; er sei nicht geopfert, er ziehe sich
aus persönlichen Gründen zurück. Als dann Du Poizat sich dazu
fortreißen ließ, die Leute in den Tuilerien als »Schweine« zu
bezeichnen, hieß er ihn schweigen, schlug dabei mit der Faust auf
den Schreibtisch, daß es krachte und sagte nur:
    »Das alles sind Dummheiten!«
    »Sie gehen etwas zu weit!« murmelte Herr Kahn.
    Delestang hatte sich sehr bleich erhoben, öffnete ganz leise die
Tür und spähte hinaus, ob niemand horchte. Aber er sah im Vorzimmer
nur die hohe Gestalt Merles, der sehr verschwiegen den Rücken
wandte. Rougons Worte hatten Du Poizat erröten lassen; er schwieg
und kaute verdrießlich an seiner Zigarre.
    Rougon fuhr nach einer Weile fort:
    »Ohne Zweifel befindet sich der Kaiser in schlechter Umgebung.
Ich habe mir erlaubt, ihm das zu sagen, und er lächelte. Er hat
selbst darüber zu scherzen geruht, indem er
äußerte, meine Umgebung sei nicht besser als die seine.«
    Du Poizat und Herr Kahn lachten gezwungen; sie fanden das Wort
sehr hübsch.
    »Aber ich wiederhole,« fuhr Rougon mit eigentümlichem Ausdruck
fort, »ich ziehe mich ganz freiwillig zurück. Wenn man Sie, meine
Freunde, fragt, so versichern Sie, daß ich noch gestern abend mein
Entlassungsgesuch hätte zurücknehmen können… Weisen Sie auch das
Geklatsch wegen dieser Geschichte mit dem Rodriguez zurück, aus der
man einen ganzen Roman gesponnen zu haben scheint. Ich bin hierüber
anderer Meinung gewesen als die Mehrheit des Staatsrates, und es
haben allerdings Reibungen stattgefunden, die meinen Rücktritt
beschleunigt haben. Aber ich habe dazu ernstere Gründe, die aus
früherer Zeit stammen. Ich war seit langer Zeit entschlossen, die
hohe Stellung zu verlassen, auf die das Wohlwollen des Kaisers mich
gestellt hat.«
    Er sprach alles mit einer Bewegung der rechten Hand, wie er sie
bei seinen Kammerreden sehr häufig gebrauchte. Diese Mitteilungen
waren sichtlich für die Öffentlichkeit bestimmt. Herr Kahn und Du
Poizat, die ihren Rougon kannten, suchten durch geschickte Fragen
hinter die Wahrheit zu kommen. Der große Mann, wie sie ihn unter
sich nannten, mußte ein hohes Spiel spielen. Sie lenkten deshalb
das

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