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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der
Unterhaltung fort:
    »Kurz, wenn Rougon behauptet, seine Stellung erschüttert zu
haben, um uns gefällig zu sein, so finde ich im Gegenteil, daß wir
durch seine Gönnerschaft schrecklich bloßgestellt sind. Er hat eine
rohe Art, jemanden zu befördern, daß man sich dabei die Nase an der
Wand zerstößt … Übrigens hat er es mit seinen Faustschlägen
richtig dahin gebracht, wieder auf der Erde zu liegen. Ich danke
dafür, ihm nochmals auf die Beine zu helfen! Wenn jemand seinen
Einfluß nicht zu wahren weiß, hat er eben keine klaren Begriffe. Er
kompromittiert uns, hören Sie, er kompromittiert uns! … Ich
habe wirklich nur zu schwere Verantwortlichkeiten auf mich
genommen, ich gebe ihn auf.«
    Er zögerte jedoch, seine Stimme wurde unsicher, während der
Oberst und Frau Correur die Köpfe zusammensteckten, offenbar um
nicht in die Lage zu kommen, sich ebenso unzweideutig
auszusprechen. Schließlich war Rougon doch immer noch Minister;
wenn man ihn verließ, mußte man eine andere allmächtige Stütze
haben.
    »Es gibt keine als den Dicken«, bemerkte Clorinde
nachlässig.
    Sie blickten sie an in der Erwartung einer förmlichen Zusage.
Aber sie bewegte nur die Hand, als wolle sie um etwas Geduld
bitten. Diese stillschweigende Verheißung eines neuen Einflusses,
dessen Segnungen über sie niedergehen würden, war bei Lichte
besehen der Hauptgrund ihrer Anhänglichkeit an die Donnerstage und
Sonntage der jungen Frau. Sie witterten in diesem mit starken
Gerüchen erfüllten Schlafzimmer einen nahen Triumph. Im Glauben,
Rougon mit der Erfüllung ihrer ersten Wünsche abgenützt zu haben,
erwarteten sie das Auftauchen einer jungen Macht, die auch ihre neuen, außerordentlich erweiterten und
vermehrten Wünsche erfüllen werde.
    Inzwischen hatte sich Clorinde von ihren Kissen erhoben. Auf die
Lehne des Sessels gestützt, beugte sie sich plötzlich zu Pozzo hin
und hauchte ihm laut lachend, als ob sie vor Freuden toll geworden
wäre, etwas ins Ohr. Solche kindische Freudenausbrüche hatte sie,
wenn sie sehr zufrieden war. Pozzo, dessen Hand auf der Gitarre
eingeschlafen zu sein schien, warf den Kopf zurück, zeigte die
Zähne eines schönen Italieners und schüttelte sich leicht, wie von
ihrem schmeichlerischen Hauche gekitzelt, während die junge Frau
noch lauter lachte, ihm noch stärker in den Nacken blies, damit er
um Gnade bitten solle. Nachdem sie ihn in italienischer Sprache
ausgezankt hatte, wandte sie sich an Frau Correur:
    »Er muß singen, nicht wahr? … Wenn er singt, höre ich auf
zu blasen und lasse ihn in Ruhe. Er hat ein sehr hübsches Lied
gedichtet.
    Darauf baten alle um das Lied. Pozzo begann wieder auf seiner
Gitarre zu klimpern, dann sang er, die Augen auf Clorinde
gerichtet. Es war ein leidenschaftliches Flüstern, von leichten
Griffen begleitet; die zitternd hingehauchten italienischen Worte
verstand man nicht; beim letzten Verse, der ohne Zweifel eine
Liebesklage enthielt, behielt Pozzo, dessen Stimme einen wehmütigen
Klang angenommen hatte, mit einem Ausdrucke entzückter Verzweiflung
den Mund offen.
    Als er geendet hatte, klatschte man lebhaft Beifall. Warum
wollte er diese reizenden Sachen nicht veröffentlichen? Seine
Stellung als Diplomat sei kein Hindernis.
    »Ich habe einen Hauptmann gekannt, von dem eine komische Oper
aufgeführt wurde. Man hat ihn deshalb im Regiment nicht weniger
gerne gesehen.«
    »Ja, aber in der Diplomatie! … «
murmelte Frau Correur, den Kopf wiegend.
    »Mein Gott, nein, ich glaube, Sie irren sich«, erklärte Herr
Kahn. »Die Diplomaten sind Menschen wie andere. Mehrere treiben
schöne Künste.«
    Clorinde hatte Pozzo mit dem Fuße leicht in die Seite gestoßen
und ihm zugleich halblaut einen Befehl erteilt. Er erhob sich, warf
die Gitarre auf einen Haufen Kleider und ging hinaus. Als er nach
fünf Minuten wiederkam, folgte ihm Antonia mit einem Tragbrett,
worauf sich Gläser und eine Karaffe befanden; er selbst trug die
Zuckerschale, die auf dem Brette nicht mehr Platz gefunden hatte.
Niemals trank man bei der jungen Frau etwas anderes als
Zuckerwasser; und die Vertrauten des Hauses wußten, daß sie es gern
sah, wenn man nur Wasser trank.
    »Nun, was gibt es?« fragte sie und wandte sich dem
Ankleidezimmer zu, wo eine Tür kreischte.
    Darauf rief sie, sich besinnend:
    »Ach, es ist Mama! Sie war schon zu Bett gegangen.«
    In der Tat war es die Gräfin Balbi, in ein schwarzes wollenes
Hauskleid gehüllt; über den Kopf hatte sie einen Streifen

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